Unterhaltszahlung Scheidung Ausland – diese Kombination sorgt bei vielen Unterhaltspflichtigen für Unsicherheit. Besonders dann, wenn der Zahlende seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt oder drastisch weniger verdient, stellt sich die Frage: Muss ich wirklich weiterzahlen? Und wenn ja, in welcher Höhe? Die folgende Analyse beleuchtet nicht nur die rechtliche Lage, sondern auch, ob ein Umzug ins Ausland tatsächlich zu einer finanziellen Entlastung führen kann oder eher in eine juristische Sackgasse.
Ausgangslage nach einer Scheidung
Der Fall, der viele beschäftigt: Nach einer langjährigen Ehe wird ein notarieller Vergleich über Zugewinnausgleich und Unterhalt geschlossen. Der Unterhaltspflichtige zahlt, obwohl seine Einkünfte überwiegend durch Überstunden entstanden sind – ein Zustand, den er langfristig nicht aufrechterhalten kann. Gleichzeitig zieht die Ex-Ehefrau finanziell keinerlei Vorteile aus der Ehe und ist krankgeschrieben.
Rechtskraft des Vergleichs
Wurde ein notarieller Vergleich geschlossen, so handelt es sich in der Regel um einen sogenannten “vollstreckbaren Titel” nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Das bedeutet: Der Unterhalt kann zwangsweise durchgesetzt werden – unabhängig vom Aufenthaltsort des Schuldners. Selbst eine Verlagerung des Wohnsitzes ins Ausland hebt diese Verpflichtung nicht automatisch auf.
Bedeutung der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung
In der Praxis führt eine solche Vereinbarung dazu, dass spätere Einkommensveränderungen nur sehr eingeschränkt berücksichtigt werden können. Nach § 313 BGB ist zwar eine Vertragsanpassung bei “Störung der Geschäftsgrundlage” möglich – die Hürden dafür sind aber sehr hoch. Wer sich also freiwillig verpflichtet hat, muss im Zweifel auch dann zahlen, wenn sich seine finanzielle Lage verschlechtert hat.
Gemeinsames Sorgerecht: Reitunterricht ohne Zustimmung? 👆Umzug ins Ausland: Wirkt sich das aus?
Ein beliebter Gedanke ist: Wenn ich ins Ausland ziehe und mein Konto dort führe, kann ich mich vor dem deutschen Pfändungsrecht schützen. Doch ganz so einfach ist das nicht.
Pfändbarkeit trotz Auslandskonto
Nach § 850 ZPO kann der pfändbare Teil des Einkommens auch dann vollstreckt werden, wenn das Geld auf ein ausländisches Konto fließt – vorausgesetzt, der Arbeitgeber sitzt in Deutschland. In diesem Fall kann der Gläubiger (also die Ex-Ehefrau) direkt beim Arbeitgeber pfänden lassen, unabhängig davon, wo das Konto geführt wird.
Wohnsitzverlagerung als Strategie?
Ein Wohnsitzwechsel – beispielsweise in die Ukraine – ändert rechtlich nichts an den Verpflichtungen aus einem in Deutschland geschlossenen Unterhaltsvergleich. Die deutsche Gerichtsbarkeit bleibt zuständig, solange der Vergleich hier geschlossen wurde und auch der Gläubiger in Deutschland lebt. Ein Verstoß gegen den Titel kann im Zweifel zu europäischen Vollstreckungsverfahren nach der Brüssel Ia-VO führen – sofern das neue Aufenthaltsland Teil des EU-Raums ist.
Umgangsrecht Kind Geburtstag: Wer entscheidet wirklich? 👆Abänderung des Unterhalts – wann möglich?
Trotz allem gibt es auch Möglichkeiten, sich von einer unangemessenen Unterhaltsverpflichtung zu lösen – zumindest teilweise.
Voraussetzungen nach § 313 BGB
Eine Vertragsanpassung kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Umstände seit Vertragsschluss wesentlich geändert haben und das Festhalten am Vertrag unzumutbar ist. Beispielhaft: Der Unterhaltspflichtige erleidet eine chronische Krankheit oder verliert seine Arbeitsstelle dauerhaft. Reine Übermüdung oder der Wunsch nach weniger Arbeit reichen allerdings nicht aus.
Einfluss der Erwerbsobliegenheit
Ein weiterer Aspekt: Der Unterhaltspflichtige muss sich nach § 1573 BGB um ein angemessenes Einkommen bemühen. Das bedeutet, dass freiwilliger Verzicht auf Überstunden nur dann zulässig ist, wenn gesundheitliche oder rechtliche Gründe vorliegen. Andernfalls wird ihm fiktiv weiterhin ein höheres Einkommen unterstellt – und entsprechend bemisst sich auch die Höhe des Unterhalts.
Haus mit dem Ex – Aussteigen trotz Schulden? 👆Was zählt mehr: Einkommen oder Vermögen?
In dem diskutierten Fall stellt sich die Frage: Wenn der Pflichtige über hohe Ersparnisse verfügt, muss er diese zur Zahlung heranziehen?
Unterhalt aus Vermögen?
Nach ständiger Rechtsprechung (BGH, Beschluss v. 15.03.2017, XII ZB 201/16) kann nachehelicher Unterhalt auch aus vorhandenem Vermögen gezahlt werden, wenn das Einkommen nicht ausreicht. Allerdings muss dabei das Schonvermögen berücksichtigt werden – also Rücklagen, die zur Altersvorsorge oder für unvorhersehbare Ausgaben nötig sind.
Offenlegungspflicht bei Abänderung
Wer eine Abänderung des Unterhalts begehrt, muss seine gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegen – auch das Vermögen. Eine Verweigerung kann nicht nur das Verfahren scheitern lassen, sondern sogar zur Erhöhung des Unterhalts führen, wenn der Verdacht auf absichtliches Verschweigen besteht (§ 1605 BGB).
Finanzielle Hilfe nach Trennung Jetzt beantragen 👆Nachehelicher Unterhalt und neue Lebenspartnerin
Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist die finanzielle Unterstützung einer neuen Partnerin. Kann das den Unterhaltsanspruch der Ex-Frau mindern?
Neue Unterhaltspflichten
Grundsätzlich gilt: Neue Beziehungen führen nicht automatisch zur Reduktion des bestehenden Unterhalts. Erst bei rechtlich relevanten Verpflichtungen – z. B. gemeinsame Kinder oder Heirat – kann eine Umverteilung erfolgen. Der Bundesgerichtshof stellt klar: Nur wenn eine neue gesetzliche Unterhaltspflicht entsteht, kann dies Einfluss auf bestehende Verpflichtungen haben (BGH, Urteil vom 28.2.2007, XII ZR 37/05).
Moralisch nachvollziehbar, juristisch irrelevant
Auch wenn es menschlich nachvollziehbar ist, die neue Partnerin zu unterstützen – juristisch zählt allein, was in § 1609 BGB geregelt ist: Die Rangfolge der Unterhaltsberechtigten. Die Ex-Frau bleibt – solange kein Ausschlussgrund vorliegt – vorrangig.
Kindesunterhalt Ausbildung 16-Jährige verstehen 👆Strategien zur finanziellen Entlastung
Trotz allem müssen Betroffene nicht tatenlos zusehen. Es gibt Wege, die finanzielle Belastung zu mindern, ohne in rechtliche Grauzonen zu rutschen.
Begrenzung der Unterhaltsdauer
Eine zentrale Stellschraube ist die Befristung des Unterhalts. Nach § 1578b BGB kann ein Gericht den Unterhalt zeitlich begrenzen, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehefrau eine Selbstversorgung in absehbarer Zeit erwarten lassen. Das wurde im vorliegenden Fall bereits berücksichtigt – ein wichtiger Schritt.
Verhandlungen auf Augenhöhe
Erfahrungsgemäß kann es auch sinnvoll sein, den Dialog mit der Ex-Partnerin zu suchen – ohne Anwaltskrieg. Wer nachvollziehbare Gründe für eine Reduktion vorlegt und alternative Wege (z. B. Einmalzahlungen) anbietet, hat gute Chancen auf eine gütliche Einigung – insbesondere, wenn der bestehende Unterhaltstitel nur eine befristete Wirkung entfaltet.
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