Immer mehr Unterhaltspflichtige nutzen künstliche Intelligenz, um ihrer Bewerbungspflicht nachzukommen. Doch wenn automatisierte Bewerbungen lediglich dazu dienen, Behörden zu täuschen, geraten wir rechtlich in ein gefährliches Fahrwasser. Die Debatte rund um Unterhaltspflicht, Bewerbung und KI ist aktueller denn je.
Automatisierte Bewerbung bei Unterhaltspflicht – Ein Fallbeispiel
Ein Nutzer berichtete in einem Forum von einem Bekannten, der unterhaltspflichtig ist und zur regelmäßigen Vorlage seiner Bewerbungsbemühungen verpflichtet wurde. Um diesem Aufwand zu entgehen, setzt dieser eine KI-basierte Software ein, die automatisch auf reale Stellenanzeigen reagiert und individuell erscheinende Bewerbungsmappen erstellt. Die erzeugten Unterlagen beinhalten zahlreiche Absagen – und genau diese werden dann gesammelt und bei der zuständigen Stelle eingereicht. Zusagen hingegen werden ignoriert oder gelöscht.
Zweck der Software-Nutzung
Die Motivation hinter dieser Strategie liegt laut dem Nutzer klar auf der Hand: Nicht der Wunsch nach einer Anstellung steht im Fokus, sondern das Erfüllen einer formalen Pflicht, ohne tatsächlich tätig werden zu müssen. Das Ziel scheint es zu sein, durch dokumentierte Absagen die Erwerbsobliegenheit zu „erfüllen“, ohne wirklich arbeiten zu wollen.
Der Verdacht auf Täuschung
Besonders heikel wird die Sache, wenn bewusst nur Absagen gesammelt und eingereicht werden, während Einladungen zu Gesprächen oder positive Rückmeldungen ignoriert werden. Hier stellt sich schnell die Frage, ob das Ganze nicht in Richtung einer strafbaren Handlung driftet – insbesondere im Kontext von § 170 Abs. 1 StGB, der die Verletzung der Unterhaltspflicht unter Strafe stellt.
Antragskosten Familiengericht beim Wechselmodell 👆Rechtlicher Rahmen für Erwerbsobliegenheit
Die sogenannte gesteigerte Erwerbsobliegenheit verpflichtet unterhaltspflichtige Personen dazu, jede zumutbare Tätigkeit anzunehmen – auch unterhalb ihrer eigentlichen Qualifikation (§ 1603 Abs. 2 BGB).
Anforderungen an die Bewerbungsbemühungen
In der Praxis verlangen Gerichte – oder Jugendämter im Rahmen der Unterhaltsvorschussprüfung – eine bestimmte Anzahl nachvollziehbarer, ernsthafter Bewerbungen pro Monat. Die bloße Anzahl reicht aber nicht: Die Bewerbungen müssen individuell, positionsbezogen und ernsthaft sein. Vorformulierte Massenbewerbungen oder automatisiert generierte Schreiben erfüllen diese Anforderungen in der Regel nicht.
Urteil zur Ernsthaftigkeit von Bewerbungen
Laut OLG Hamm (Beschluss vom 12.05.2004 – II-8 WF 40/04) ist es nicht ausreichend, lediglich Bewerbungen zu versenden. Die Bemühungen müssen ernsthaft sein und auf eine tatsächliche Arbeitsaufnahme abzielen. Andernfalls kann das Einkommen fiktiv angerechnet werden – also so behandelt werden, als hätte die Person tatsächlich gearbeitet.
Unterhaltsberechnungen Nestmodell richtig klären 👆Kann man automatisierte Bewerbungen überhaupt verbieten?
In der heutigen digitalen Welt ist es schwer zu bestimmen, wie genau eine Bewerbung erstellt wurde. Viele Menschen nutzen Vorlagen, Bewerbungsgeneratoren oder Tools wie ChatGPT. Solange die Bewerbungen individuell angepasst sind und auf reale Stellenangebote eingehen, ist das an sich nicht zu beanstanden.
Wo beginnt dann die Täuschung?
Problematisch wird es, wenn jemand systematisch versucht, die unterhaltspflichtrelevante Stelle zu täuschen – etwa durch das Weglassen positiver Rückmeldungen oder das bewusste Erzeugen von Bewerbungen, bei denen man sicher sein kann, abgelehnt zu werden. Das kann als absichtliche Umgehung der Erwerbsobliegenheit gewertet werden – und im schlimmsten Fall als versuchte Täuschung einer Behörde.
Anpassung Unterhaltszahlungen bei Gehaltsänderung 👆Rolle der Beweisbarkeit und der Behörden
Auch wenn der Verdacht besteht, dass Bewerbungen manipulativ erstellt oder positiv beantwortete Bewerbungen gelöscht wurden – die Beweisbarkeit ist ein zentrales Problem.
Behörden überprüfen Bewerbungen selektiv
In der Regel verlangen Jobcenter oder Jugendämter Nachweise. Ob diese jedoch aktiv bei Arbeitgebern nachfragen, ist unterschiedlich. Wenn aber der Verdacht besteht, dass jemand systematisch Einladungen ignoriert, können Behörden auch selbst Ermittlungen anstellen oder Arbeitgeber kontaktieren.
Anzeige bei der Polizei – realistisch?
Eine Anzeige wegen Betrugs oder Verletzung der Unterhaltspflicht ist theoretisch möglich. Jedoch gilt: Nur weil ein Bekannter etwas angedeutet hat, heißt das nicht, dass die Staatsanwaltschaft ein Verfahren einleitet. Es braucht konkrete Beweise – und ohne Zeugen oder digitale Spuren bleibt der Verdacht vage.
Ferienregelung getrennte Eltern rechtlich klären 👆Umgang mit fiktivem Einkommen
Wenn Gerichte oder Behörden feststellen, dass keine ausreichenden Bemühungen unternommen wurden, kann ein fiktives Einkommen angesetzt werden – also ein Einkommen, das der Unterhaltspflichtige theoretisch erzielen könnte. Dies führt dazu, dass der Unterhaltsbetrag auf Basis dieses fiktiven Einkommens berechnet wird – unabhängig davon, ob die Person tatsächlich arbeitet.
Rechtsprechung zur fiktiven Anrechnung
Nach BGH-Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 30.03.2011 – XII ZR 3/09) ist die Zurechnung fiktiven Einkommens zulässig, wenn feststeht, dass der Unterhaltspflichtige nicht alles Zumutbare unternommen hat, um ein tatsächliches Einkommen zu erzielen. Automatisierte Bewerbungen, die rein formal wirken, genügen diesem Anspruch also nicht.
Scheidung ohne eigenen Anwalt – Risiken und Kosten 👆Was bedeutet das für die Praxis?
Unterhaltspflicht, Bewerbung und KI stehen in einem sensiblen Spannungsfeld. Während Effizienz durch Technik begrüßt wird, darf dies nicht dazu führen, dass Unterhaltsverpflichtungen ausgehöhlt werden. Der Einsatz digitaler Tools ist also nur dann rechtlich unproblematisch, wenn er im Geiste der Erwerbsobliegenheit steht – und nicht, wenn er nur dem Zweck dient, sich aus der Pflicht zu mogeln.
Persönliche Einschätzung
Natürlich kann nicht jeder Einzelfall vollständig überprüft werden. Aber wer glaubt, das System austricksen zu können, sollte wissen: Früher oder später fliegt es oft auf. Und dann drohen nicht nur finanzielle Konsequenzen, sondern auch ein mögliches Strafverfahren.
Familienversicherung Stiefkinder getrennt klären 👆Fazit
Die Diskussion um Unterhaltspflicht, Bewerbung und KI zeigt eindrucksvoll, wie technischer Fortschritt auch das Familienrecht herausfordert. Der Einsatz automatisierter Bewerbungen ist nicht per se illegal – solange die Absicht dahinter ehrlich ist und tatsächliche Arbeitsaufnahme angestrebt wird. Wer jedoch gezielt positive Rückmeldungen verschweigt, um seine Unterhaltspflicht zu umgehen, riskiert nicht nur zivilrechtliche Nachteile, sondern unter Umständen auch strafrechtliche Konsequenzen. Gerichte und Behörden sind zunehmend sensibilisiert für solche Tricksereien – und sie haben Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Im Zweifel gilt: Wer seine Unterhaltspflicht ernst nimmt, sollte auch seine Bewerbungspflicht ernsthaft erfüllen – unabhängig davon, ob dabei eine KI hilft oder nicht. Der ehrliche Umgang mit Unterlagen ist hier entscheidend.
Auskunftspflicht Volljährigenunterhalt klar erklärt 👆FAQ
Muss ich dem Jugendamt alle Bewerbungen zeigen, auch wenn sie automatisiert sind?
Ja, wenn das Jugendamt oder eine andere Behörde Bewerbungsnachweise verlangt, müssen Sie vollständige und nachvollziehbare Unterlagen vorlegen. Es ist unerheblich, ob die Bewerbungen manuell oder automatisiert erstellt wurden – entscheidend ist, dass sie ernst gemeint und konkret auf Stellen bezogen sind. Gerade bei Unterhaltspflicht kann das Weglassen von positiven Rückmeldungen problematisch werden.
Ist es strafbar, Bewerbungen automatisch mit einer KI zu erstellen?
Das bloße Verwenden einer KI zur Bewerbungserstellung ist nicht strafbar. Kritisch wird es erst, wenn die KI genutzt wird, um Behörden gezielt zu täuschen, etwa durch das Weglassen von Zusagen. In Verbindung mit einer Umgehung der Erwerbsobliegenheit kann dies im Einzelfall den Tatbestand der Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 StGB) erfüllen.
Kann ein Gericht fiktives Einkommen ansetzen, wenn ich KI-Bewerbungen nutze?
Ja, wenn der Eindruck entsteht, dass keine ernsthaften Bemühungen vorliegen – beispielsweise bei Massenbewerbungen ohne Substanz – kann das Gericht ein fiktives Einkommen anrechnen. Das heißt, Sie werden behandelt, als würden Sie Einkommen erzielen, obwohl Sie tatsächlich keines haben. Bei Unterhaltspflicht ist das ein häufiges Mittel zur Sicherung des Kindeswohls.
Was passiert, wenn Zusagen absichtlich gelöscht werden?
Das gezielte Löschen von Zusagen, um nur Absagen vorzeigen zu können, kann als Täuschungsversuch gewertet werden. Wenn dieser Nachweis gelingt, kann dies zivilrechtliche und gegebenenfalls strafrechtliche Folgen haben. Gerade im Kontext der Unterhaltspflicht Bewerbung mit KI ist Ehrlichkeit entscheidend.
Kann ich jemanden anzeigen, der solche Methoden verwendet?
Grundsätzlich ja. Eine Anzeige bei der Polizei ist möglich, wenn ein Anfangsverdacht auf eine Straftat – z. B. Verletzung der Unterhaltspflicht – besteht. Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass Ermittlungen nur bei ausreichenden Anhaltspunkten aufgenommen werden. Ohne Zeugen oder konkrete Nachweise bleibt vieles spekulativ.
Wie viele Bewerbungen muss ich monatlich schreiben?
Es gibt keine gesetzliche Zahl, aber Gerichte und Jugendämter verlangen oft 8–10 ernsthafte Bewerbungen pro Monat. Diese müssen dokumentiert, individuell und realistisch sein. Die schiere Anzahl zählt nicht, wenn der Inhalt erkennbar beliebig oder unpassend ist.
Wird der Einsatz von KI in Zukunft reguliert?
Das ist nicht auszuschließen. Angesichts zunehmender Missbrauchsmöglichkeiten werden juristische Regelungen zur Unterhaltspflicht, Bewerbung und KI sicher noch angepasst. Bereits heute sind Gerichte sehr genau, wenn es um die Ernsthaftigkeit der Erwerbsbemühungen geht.
Muss ich auch auf unqualifizierte Stellenangebote reagieren?
Bei gesteigerter Erwerbsobliegenheit ja. Das bedeutet, Sie müssen sich auch auf Stellen bewerben, die unter Ihrer eigentlichen Qualifikation liegen – solange sie zumutbar sind. Eine KI kann dabei helfen – sie darf aber nicht dazu dienen, den Anschein von Aktivität zu erwecken.
Kann ich meine Bewerbungspflicht erfüllen, wenn ich nur Absagen bekomme?
Nur dann, wenn die Bewerbungen ernsthaft und nachvollziehbar waren. Wer sich gezielt auf ungeeignete oder unpassende Stellen bewirbt, um Ablehnungen zu provozieren, erfüllt seine Pflicht nicht. Gerade in Kombination mit KI können solche Muster auffallen.
Was passiert, wenn das Jobcenter Verdacht schöpft?
Das Jobcenter oder die Unterhaltsvorschusskasse kann Nachfragen bei Unternehmen stellen, Bewerbungen zurückverfolgen oder sogar Sanktionen verhängen. Wenn der Verdacht besteht, dass Unterlagen manipuliert wurden, kann es auch zur Strafanzeige kommen.
Gesetz zur Kostenvermeidung verständlich erklärt 👆