Wenn Kinder im Wechselmodell leben und volljährig werden, stehen viele Eltern plötzlich vor neuen Fragen zum Unterhalt. Muss weiterhin gezahlt werden? Und wenn ja, an wen? Die Klärung dieser Punkte ist entscheidend, um Streit und unnötige Kosten zu vermeiden. In diesem Beitrag gehen wir auf genau diese Situation ein und zeigen, wie der Unterhalt nach Eintritt der Volljährigkeit im Wechselmodell rechtlich und praktisch geregelt werden kann.
Wechselmodell nach der Volljährigkeit – ein Fallbeispiel
Stellen wir uns folgende Konstellation vor: Zwei minderjährige Kinder leben seit Jahren im paritätischen Wechselmodell bei ihren getrennten Eltern. Die Betreuung erfolgt jeweils im wöchentlichen Rhythmus. Mit dem 18. Geburtstag des älteren Kindes stellt sich die Frage: Was ändert sich durch die Volljährigkeit in Bezug auf die Unterhaltsverpflichtungen?
Der Vater geht davon aus, dass ab sofort kein Ausgleich mehr zwischen den Eltern erfolgen muss, da das Kind nun selbst Anspruch auf Unterhalt hat. Die Mutter hingegen fragt sich, ob weiterhin nach der Düsseldorfer Tabelle gezahlt werden muss – und wenn ja, wie die Berechnung nun erfolgen soll, wenn das Kind weiterhin im 50/50-Modell bei beiden lebt.
Scheidung Direktversicherung und Unterhalt klären 👆Grundsätze des Volljährigenunterhalts
Mit der Volljährigkeit entfällt der Betreuungsunterhalt. Das bedeutet: Beide Elternteile sind nun barunterhaltspflichtig. Die bisherige Aufteilung durch Naturalunterhalt (durch Betreuung) entfällt also.
Gleichrangige Barunterhaltspflicht
Laut § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB haften beide Elternteile anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen. Der bisher betreuende Elternteil verliert somit seinen „Betreuungsvorteil“. Stattdessen zählt nur noch die finanzielle Leistungsfähigkeit beider.
Anwendung der Düsseldorfer Tabelle
Für volljährige Kinder im Haushalt eines Elternteils – oder wie im Wechselmodell in beiden Haushalten – wird die Düsseldorfer Tabelle weiterhin als Orientierung herangezogen. Wichtig dabei: Maßgeblich ist das zusammengerechnete bereinigte Nettoeinkommen beider Eltern.
Ehevertrag Sittenwidrigkeit bei Rentenverzicht? 👆Besonderheiten bei weitergeführtem Wechselmodell
Das Wechselmodell endet nicht automatisch mit Eintritt der Volljährigkeit. Entscheidend ist, ob das Kind weiterhin im paritätischen Wechselmodell lebt und beide Eltern dies auch beibehalten möchten.
Autonomie des Kindes
Ab Volljährigkeit kann das Kind selbst entscheiden, wo es lebt. Wenn es freiwillig das Wechselmodell fortsetzt, kann dies auch unterhaltsrechtlich anerkannt werden. In diesem Fall ändert sich faktisch wenig – formal aber einiges.
Anspruchsinhaber ist das Kind
Das Kind wird nun selbst zum Anspruchsinhaber des Unterhalts (§ 1613 BGB). Das bedeutet: Es muss seinen Bedarf selbst geltend machen – entweder außergerichtlich oder gegebenenfalls gerichtlich. Die Eltern zahlen nicht mehr aneinander, sondern direkt ans Kind.
Halbschwester Name herausfinden ohne Hilfe 👆Berechnung des Unterhaltsbedarfs
Die Berechnung erfolgt gemäß den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte. Besonders relevant ist dabei Punkt 13 der Leitlinien, in dem der Bedarf von volljährigen Kindern geregelt ist.
Bedarf nach Tabelle und Abzug Kindergeld
Der Bedarf ergibt sich aus der Düsseldorfer Tabelle, unter Berücksichtigung des zusammengerechneten Elterneinkommens. Vom ermittelten Bedarf wird dann das volle Kindergeld abgezogen (§ 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Aufteilung des Bedarfs
Anschließend wird der verbleibende Unterhaltsbedarf im Verhältnis der bereinigten Nettoeinkommen der Eltern aufgeteilt. Hat ein Elternteil 60 % des gemeinsamen Einkommens, so trägt er auch 60 % des Bedarfs.
Wechselmodell Unterhalt Wohnvorteil rechtlich erklärt 👆Keine pauschale Lösung bei 50/50 Betreuung
Entgegen mancher Annahmen führt ein Wechselmodell nicht automatisch zur Aufhebung der Unterhaltspflicht. Das Gesetz sieht keine automatische Verrechnung vor, auch wenn beide Eltern gleiche Betreuungsanteile leisten.
Einvernehmliche Lösungen möglich
Sofern beide Eltern weiterhin im Einvernehmen das Wechselmodell praktizieren, können sie untereinander vereinbaren, wie der Unterhalt gegenüber dem Kind geregelt wird. Solche Vereinbarungen sollten aber schriftlich dokumentiert werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden
Kommt es doch zum Streit, wird ein Gericht auf Basis der wirtschaftlichen Verhältnisse und des tatsächlichen Bedarfs entscheiden. Wechselmodelle führen häufig zu komplizierten Rechenbeispielen, weshalb eine einvernehmliche Lösung in den meisten Fällen der bessere Weg ist.
Aufenthaltsbestimmungsrecht und Wohnungszuweisung klären 👆Was tun bei unterschiedlichen Einkommensverhältnissen?
Kompliziert wird es, wenn ein Elternteil deutlich mehr verdient als der andere – und dennoch beide zu gleichen Teilen betreuen.
Einkommensstärkere Elternteile zahlen mehr
Nach geltendem Recht (§ 1606 BGB) bleibt das Prinzip der Leistungsfähigkeit bestehen. Auch im Wechselmodell ist der besser verdienende Elternteil verpflichtet, anteilig mehr zum Barunterhalt beizutragen – auch wenn er dieselbe Betreuungszeit leistet.
Höhere Kosten durch Wechselmodell
Ein Wechselmodell kann mit doppelten Fixkosten einhergehen: zwei Kinderzimmer, doppelte Ausstattung, höhere Fahrtkosten. Das mindert jedoch nicht automatisch die Unterhaltsverpflichtung, sondern kann nur im Rahmen des Selbstbehalts (§ 1603 BGB) berücksichtigt werden.
Unterhaltsverpflichtungen nach Scheidung verstehen 👆Was gilt bei mehreren volljährigen Kindern?
Lebt ein weiteres Kind ebenfalls im Wechselmodell, und beide sind volljährig, ist die Lage komplexer.
Gesamteinkommen wird aufgeteilt
Bei zwei volljährigen Kindern wird der Gesamtunterhalt auf beide verteilt. Auch hier ist das kombinierte Einkommen der Eltern maßgeblich – ebenso wie der Bedarf jedes einzelnen Kindes. Sind beide Kinder privilegiert (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB), haben sie Vorrang gegenüber anderen Unterhaltspflichten.
Unterschiedliche Ausbildungssituationen
Besucht ein Kind noch die Schule und das andere bereits eine Universität, kann der Bedarf unterschiedlich ausfallen – aktuell z.B. rund 930 € für auswärtig Studierende gemäß Düsseldorfer Tabelle. Auch das beeinflusst die Verteilung.
Gerichtskosten § 49 PStG verstehen 👆Praktische Empfehlungen für Eltern
Eine vorausschauende Regelung ist der Schlüssel, um Streit zu vermeiden. Eltern sollten nicht erst mit Eintritt der Volljährigkeit reagieren, sondern frühzeitig die Gespräche suchen.
Schriftliche Absprachen treffen
Auch wenn keine gerichtliche Klärung nötig ist, helfen schriftliche Absprachen dabei, den Überblick zu behalten – etwa zur Aufteilung von Kosten, zum Zahlungsweg oder zu Veränderungen bei der Betreuung.
Steuerliche Aspekte bedenken
Bei fortgesetztem Wechselmodell kann es Auswirkungen auf das Kindergeld, die Steuerklasse oder den Kinderfreibetrag geben. Eltern sollten prüfen, wer das Kindergeld bezieht und ob ggf. ein Wechsel in Steuerklasse II (für Alleinerziehende) noch gerechtfertigt ist.
Unterhalt trotz Verzichtserklärung möglich? 👆Relevante Gesetzesgrundlagen und Urteile
Zur rechtlichen Absicherung lohnt ein Blick in die wichtigsten Normen:
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§ 1606 BGB: Gleichrangige Barunterhaltspflicht
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§ 1612b BGB: Anrechnung des Kindergeldes
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§ 1613 BGB: Geltendmachung rückwirkenden Unterhalts
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OLG-Leitlinien, z.B. Punkt 13 (z.B. Unterhaltsleitlinien des OLG Düsseldorf)
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BGH, Urteil vom 11. Januar 2012 – XII ZR 40/10 (Zur Aufteilung im Wechselmodell)
Fazit
Die Frage, wie der Unterhalt im Wechselmodell bei volljährigen Kindern geregelt wird, lässt sich nicht pauschal beantworten – hängt aber stark von der Einkommenssituation beider Elternteile und dem tatsächlichen Betreuungsmodell ab. Klar ist: Auch wenn das Wechselmodell nach der Volljährigkeit freiwillig weitergeführt wird, bleibt der rechtliche Rahmen nicht derselbe. Statt einer Ausgleichszahlung zwischen den Eltern sind nun beide barunterhaltspflichtig und das Kind selbst Anspruchsinhaber. Dabei ist der Unterhalt im Wechselmodell bei Volljährigkeit nach wie vor anhand der Düsseldorfer Tabelle unter Berücksichtigung des zusammengerechneten Einkommens beider Eltern zu berechnen. Wer Streit vermeiden will, sollte frühzeitig das Gespräch suchen, klare schriftliche Vereinbarungen treffen und notfalls juristischen Rat einholen. Denn gerade im Spannungsfeld zwischen gelebter Praxis und gesetzlicher Regelung kommt es sonst schnell zu Unsicherheiten – mit finanziellen und familiären Folgen.
Scheidungsfolgenvereinbarung Druck vor Scheidung? 👆FAQ
Wer ist nach der Volljährigkeit beim Wechselmodell unterhaltspflichtig?
Beide Elternteile sind barunterhaltspflichtig, unabhängig davon, bei wem das Kind lebt. Das gilt auch bei weitergeführtem Wechselmodell.
An wen wird der Unterhalt nach der Volljährigkeit gezahlt?
Der Unterhalt wird nicht mehr zwischen den Eltern geregelt, sondern direkt an das Kind gezahlt, da dieses nun selbst anspruchsberechtigt ist.
Wird bei volljährigen Kindern im Wechselmodell die Düsseldorfer Tabelle weiterhin angewendet?
Ja, die Düsseldorfer Tabelle bleibt relevant. Für die Einstufung wird das bereinigte Nettoeinkommen beider Eltern zusammengezogen.
Muss der besser verdienende Elternteil mehr zahlen, auch bei 50/50 Betreuung?
Ja. Entscheidend ist nicht die Betreuungszeit, sondern das Verhältnis der Einkünfte gemäß § 1606 Abs. 3 BGB.
Kann das Wechselmodell über die Volljährigkeit hinaus fortgesetzt werden?
Ja, wenn das Kind und beide Eltern dies freiwillig wünschen. Es gibt keine gesetzliche Begrenzung des Modells.
Was passiert mit dem Kindergeld bei volljährigen Kindern?
Das Kindergeld wird voll vom Unterhaltsbedarf abgezogen. Es mindert also die Zahlungspflicht der Elternteile anteilig.
Wie wird der Unterhalt berechnet, wenn mehrere volljährige Kinder im Wechselmodell leben?
Dann wird der Gesamtbedarf beider Kinder ermittelt und anteilig gemäß dem Einkommen beider Eltern aufgeteilt.
Welche Rolle spielt der Selbstbehalt bei der Unterhaltsberechnung?
Der Selbstbehalt schützt das Existenzminimum des Elternteils (§ 1603 BGB). Wird dieser unterschritten, kann die Unterhaltspflicht entfallen oder reduziert werden.
Gibt es eine gesetzliche Regelung, wie Unterhalt im Wechselmodell nach Volljährigkeit zu zahlen ist?
Es gibt keine spezielle Regelung nur fürs Wechselmodell. Entscheidend sind die allgemeinen Regeln des BGB, insbesondere §§ 1601 ff. in Verbindung mit den OLG-Leitlinien.
Muss eine gerichtliche Regelung erfolgen oder können Eltern das privat klären?
Eltern können eine einvernehmliche Lösung jederzeit ohne Gericht treffen – etwa durch eine schriftliche Vereinbarung. Nur bei Streit kommt es zur gerichtlichen Klärung.