Wenn Unterhalt verweigert wird, stellt sich schnell die Frage: Muss man selbst klagen oder übernimmt das Jobcenter die Unterhaltsklage? Besonders wenn Bürgergeld bezogen wird, wird es rechtlich schnell kompliziert. In diesem Beitrag klären wir, wie das Zusammenspiel von Unterhaltsklage, Jobcenter und Bürgergeld funktioniert – und worauf Betroffene unbedingt achten sollten.
Unterhaltsklage bei Bürgergeldbezug
Die Ausgangslage ist eindeutig: Eine Mutter eines einjährigen Kindes erhält vom Kindsvater weder Kindesunterhalt noch Betreuungsunterhalt. Eine Klage ist in Vorbereitung, doch gleichzeitig bezieht sie Bürgergeld. Die zustehenden Unterhaltsbeträge wurden bereits berechnet – 682 € für das Kind und 2.200 € Betreuungsunterhalt für sie selbst. Der Bedarf liegt damit über der Bürgergeldleistung. Daraus ergeben sich mehrere rechtliche und finanzielle Fragen: Muss sie selbst klagen, wer trägt die Kosten und was passiert mit möglichen Rückforderungen?
Hintergrund zum Bürgergeld
Das Bürgergeld (ehemals Hartz IV) dient der Grundsicherung. Wer bedürftig ist, erhält Leistungen zum Lebensunterhalt. Sobald jedoch Unterhaltsansprüche bestehen, geht das Jobcenter davon aus, dass diese vorrangig geltend gemacht werden müssen – bevor oder während Bürgergeld bezogen wird. Im Regelfall wird die Antragstellerin also dazu verpflichtet, Unterhalt einzufordern.
Unterhaltspflicht und Übergang auf das Jobcenter
Nach § 33 Abs. 1 SGB II gehen Unterhaltsansprüche auf das Jobcenter über, wenn dieses an Stelle des Unterhaltspflichtigen Leistungen gewährt. Das bedeutet: In der Höhe des gewährten Bürgergelds darf das Jobcenter den unterhaltspflichtigen Elternteil direkt in Anspruch nehmen. Für alle Beträge, die über die Leistungen hinausgehen, bleibt die betroffene Person selbst klagebefugt.
Scheidungskosten Immobilie Trennung realistisch planen 👆Wer darf die Unterhaltsklage einreichen?
Diese Frage wird häufig missverstanden – denn auch mit Bürgergeldbezug bleibt man grundsätzlich selbst für die zivilrechtliche Durchsetzung seiner Ansprüche verantwortlich.
Eigene Klage trotz Bürgergeld
Das Jobcenter reicht keine zivilrechtliche Klage auf Kindes- oder Betreuungsunterhalt im Namen der Antragstellerin ein. Es ist nicht für die individuelle Rechtsdurchsetzung zuständig. Stattdessen bleibt es an der betroffenen Mutter (beziehungsweise ihrer Anwältin), Unterhalt selbst einzuklagen – insbesondere, wenn es über den Betrag hinausgeht, den das Jobcenter selbst absichern würde.
Prozessstandschaft für das Jobcenter
Eine Besonderheit ergibt sich bei rückwirkenden oder zukünftigen Unterhaltsforderungen: Wenn Leistungen des Jobcenters bereits ausgezahlt wurden oder während des laufenden Verfahrens gezahlt werden, handelt die Antragstellerin in sogenannter Prozessstandschaft (§ 33 Abs. 4 SGB II) auch für das Jobcenter, soweit Ansprüche auf dieses übergegangen sind. In der Klage ist das korrekt zu berücksichtigen.
Außergerichtliche Sorgerechtsvereinbarung richtig regeln 👆Wer übernimmt die Kosten der Klage?
Ein häufiger Irrtum besteht darin zu glauben, das Jobcenter übernehme automatisch die Kosten für eine Unterhaltsklage – doch dem ist nicht so.
Prozesskostenhilfe bei Bedürftigkeit
Grundsätzlich kann Prozesskostenhilfe (§ 114 ZPO) beantragt werden, wenn man nicht in der Lage ist, die Verfahrenskosten selbst zu tragen. Wird diese bewilligt, übernimmt die Staatskasse Gerichts- und Anwaltskosten – abhängig vom Verfahrensausgang. Doch wer über ein einzusetzendes Vermögen über 5.000 € verfügt, wie im Ausgangsfall genannt, erhält unter Umständen keine Hilfe.
Keine Kostenübernahme durch das Jobcenter
Wichtig: Das Jobcenter selbst übernimmt keine zivilrechtlichen Verfahrenskosten. Es ist weder verpflichtet noch zuständig, finanzielle Hilfe für private Klagen zur Verfügung zu stellen. Eine Ausnahme wäre lediglich, wenn der Unterhaltsanspruch dem Jobcenter zusteht und dieses aus eigenem Recht klagt – was aber selten geschieht.
Unterhalt erwachsenes Kind bei Suchtproblem 👆Rückforderung von Unterhalt – wie funktioniert das?
Eine besonders praxisrelevante Frage betrifft die Rückforderung bereits nicht gezahlter Unterhaltsansprüche. Was passiert, wenn sich zum Zeitpunkt der Bürgergeldbewilligung bereits Rückstände angesammelt haben?
Unterhalt während des Leistungsbezugs
Wird während des Bezugszeitraums Unterhalt erfolgreich rückwirkend eingeklagt oder gezahlt, ist dieser auf das Bürgergeld anzurechnen (§ 11a Abs. 1 Nr. 7 SGB II). Das bedeutet, es erfolgt eine Verrechnung mit den bereits gezahlten Leistungen. Das Jobcenter kann diese Beträge dann als Erstattung vom Unterhaltspflichtigen fordern oder die Leistungen kürzen.
Rückforderung nach Ende des Leistungsbezugs
Erfolgt die Zahlung oder der Zufluss von rückständigem Unterhalt erst nach Beendigung des Bürgergeldbezugs, besteht keine Pflicht zur Rückzahlung an das Jobcenter. Das Geld darf also in voller Höhe behalten werden – entscheidend ist der Zeitpunkt des Zuflusses. Maßgeblich ist hier § 11 Abs. 1 SGB II (Zuflussprinzip).
Zugewinnausgleich Girokonto: Wann zählt das Ersparte? 👆Rolle der Unterhaltsvorschusskasse
Eine häufig übersehene Möglichkeit ist die Inanspruchnahme der Unterhaltsvorschusskasse, zumindest für den Kindesunterhalt. Gemäß Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) können Kinder bis 18 Jahre, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt, eine staatliche Leistung erhalten.
Begrenzte Leistungshöhe
Die Höhe des Unterhaltsvorschusses ist allerdings gedeckelt – 2024 lag sie je nach Altersstufe bei 230 € bis 395 €. Reicht der tatsächliche Bedarf des Kindes (wie im geschilderten Fall 682 €) darüber hinaus, muss der Differenzbetrag selbst eingeklagt werden. Auch hier springt das Jobcenter ggf. ergänzend ein – aber nur, soweit Bedürftigkeit besteht.
Wechselmodell Unterhalt Vater: Was ist gerecht? 👆Risiken im Prozess – wer haftet?
Nicht zu vergessen: Eine Klage bringt immer das Risiko mit sich, bei teilweisem oder vollständigem Unterliegen anteilige Kosten des gegnerischen Anwalts tragen zu müssen (§ 91 ZPO).
Kein Freifahrtschein durch Prozesskostenhilfe
Selbst bei bewilligter Prozesskostenhilfe entfällt das sogenannte Prozessrisiko nicht. Wer z. B. einen überhöhten Unterhalt einklagt und nur teilweise obsiegt, muss mit anteiliger Kostentragung rechnen. Eine anwaltliche Beratung vor Klageeinreichung ist daher unerlässlich, auch um die Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen.
Falsche Anschuldigung Trennung: Folgen und Lösungen 👆Rechtlicher Rahmen im Überblick
Ein paar wichtige Paragraphen, die in diesem Zusammenhang immer wieder zur Anwendung kommen:
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§ 33 SGB II: Übergang von Unterhaltsansprüchen auf das Jobcenter
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§ 114 ff. ZPO: Prozesskostenhilfe
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§ 11 und § 11a SGB II: Einkommensberücksichtigung beim Bürgergeld
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§ 91 ZPO: Kostentragungspflicht im Prozess
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Unterhaltsvorschussgesetz (UVG): staatliche Leistungen bei ausbleibendem Kindesunterhalt
Diese Regelungen bilden die Grundlage für die gerichtliche und außergerichtliche Geltendmachung von Unterhalt bei parallelem Bürgergeldbezug. Wer sich hier gut vorbereitet, kann finanzielle Nachteile vermeiden und seinen Anspruch effizient durchsetzen.
Hol- und Bringpflicht Umgang: Wer ist verantwortlich? 👆Fazit
Eine Unterhaltsklage bei gleichzeitigem Bezug von Bürgergeld ist rechtlich komplex, aber keineswegs unmöglich. Wichtig ist zu wissen, dass das Jobcenter eine solche Klage grundsätzlich nicht selbst einreicht. Wer Unterhalt – insbesondere Betreuungsunterhalt – geltend machen will, muss den juristischen Weg eigenständig oder über eine Anwältin gehen. Das Jobcenter tritt nur in Höhe der ausgezahlten Leistungen als Gläubiger auf. Eine Kostenübernahme für das Verfahren erfolgt durch das Jobcenter in der Regel nicht, vor allem dann nicht, wenn Vermögen über der Freigrenze vorhanden ist. Auch für die Rückforderung bereits aufgelaufener Unterhaltsschulden gilt: Nur wer im Zeitpunkt des Zuflusses noch Bürgergeld bezieht, muss mit Anrechnungen rechnen. Daher ist eine sorgfältige juristische Planung entscheidend – insbesondere dann, wenn es um Rückforderungen oder eine Prozesskostenhilfe geht. Wer Unterhaltsklage und Jobcenter miteinander in Einklang bringen will, sollte rechtzeitig rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, um sowohl finanzielle Nachteile als auch unnötige Verfahrenskosten zu vermeiden.
Jugendamt Falle und Mutter-Kind-Heim: Ein Fall im Fokus 👆FAQ
Muss das Jobcenter die Unterhaltsklage einreichen?
Nein, das Jobcenter reicht keine zivilrechtliche Unterhaltsklage ein. Die Betroffene muss die Klage selbst über eine Anwältin einreichen, auch wenn sie Bürgergeld bezieht.
Übernimmt das Jobcenter die Kosten der Unterhaltsklage?
In der Regel nicht. Das Jobcenter ist nicht verpflichtet, Verfahrenskosten für eine private Unterhaltsklage zu übernehmen. Nur wenn Prozesskostenhilfe gewährt wird und kein verwertbares Vermögen besteht, können Kosten übernommen werden.
Was passiert mit rückständigem Unterhalt während des Bürgergeldbezugs?
Wenn rückständiger Unterhalt während des Leistungsbezugs zufließt, wird dieser als Einkommen angerechnet. Das kann dazu führen, dass Leistungen gekürzt oder zurückgefordert werden.
Kann ich rückständigen Unterhalt behalten, wenn ich kein Bürgergeld mehr bekomme?
Ja, solange der Unterhalt nach Ende des Leistungsbezugs zufließt, darf dieser in der Regel vollständig behalten werden. Das sogenannte Zuflussprinzip (§ 11 SGB II) ist hier entscheidend.
Was passiert, wenn ich das Verfahren verliere?
Selbst bei bewilligter Prozesskostenhilfe können Kosten entstehen, etwa wenn man nur teilweise gewinnt. Dann kann man zur Zahlung eines Anteils der Anwaltskosten der Gegenseite verpflichtet werden.
Ist das Jobcenter für Betreuungsunterhalt zuständig?
Nein, das Jobcenter ist nur für übergegangene Ansprüche zuständig – in der Regel betrifft das nur den Kindesunterhalt in Höhe der ausgezahlten Leistungen. Für Betreuungsunterhalt ist man selbst klagebefugt.
Wann springt die Unterhaltsvorschusskasse ein?
Die Unterhaltsvorschusskasse kann für minderjährige Kinder einspringen, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt. Die Höhe ist allerdings begrenzt und reicht oft nicht zur Deckung des vollen Bedarfs.
Muss ich das Jobcenter informieren, wenn ich Unterhalt bekomme?
Ja, jede Zahlung – auch rückwirkend – muss dem Jobcenter gemeldet werden, solange Bürgergeld bezogen wird. Eine unterlassene Meldung kann zu Rückforderungen führen.
Kann ich die Klage auch ohne Anwalt einreichen?
Bei Familiensachen ist eine anwaltliche Vertretung vor dem Familiengericht notwendig, wenn es um streitige Unterhaltsklagen geht. Ohne Anwalt ist ein solches Verfahren kaum realisierbar.
Gibt es eine Frist für die Geltendmachung von Unterhalt?
Ja, Unterhalt kann rückwirkend nur unter bestimmten Voraussetzungen gefordert werden – insbesondere dann, wenn der Unterhaltspflichtige bereits zur Zahlung aufgefordert oder in Verzug gesetzt wurde (§ 1613 BGB). Wer sicher gehen will, sollte frühzeitig handeln.
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