Ehevertrag Diskrepanz – klingt nüchtern, hat aber oft explosive Wirkung. Gerade wenn einer viel hat und der andere fast nichts, prallen Welten aufeinander. Wie lässt sich ein fairer Ehevertrag gestalten, der nicht vor Gericht zerrissen wird? Genau das schauen wir uns heute an.
Ehevertrag bei ungleicher Vermögenslage
In der Praxis kommt es häufig vor, dass zwei Menschen mit sehr unterschiedlichen finanziellen Ausgangslagen heiraten. Das ist menschlich – die Liebe fragt nicht nach dem Kontostand. Doch das Gesetz tut es. Und genau da wird es heikel.
Ein klassisches Beispiel: Ehegatte 1 hat ein hohes Einkommen, Vermögenswerte in Immobilien und Aktien, während Ehegatte 2 arbeitslos ist und keinerlei Rücklagen besitzt. Beide wollen heiraten – aber Ehegatte 1 will sich absichern. Die Idee: ein Ehevertrag, der Gütertrennung, Ausschluss des Aufstockungsunterhalts und eine Begrenzung des Versorgungsausgleichs vorsieht.
Soweit, so nachvollziehbar. Doch wie weit darf ein solcher Vertrag gehen, ohne sittenwidrig zu sein? Wo liegt die Grenze zwischen Selbstschutz und einseitiger Benachteiligung?
Unterhaltspflicht Verstorbene Ex-Frau: Was tun ohne Infos? 👆Gütertrennung wirksam vereinbaren
Die Gütertrennung ist in Deutschland grundsätzlich zulässig und kein Problem. Laut § 1414 BGB kann die gesetzliche Zugewinngemeinschaft durch vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden. Das bedeutet, dass bei einer Scheidung kein Zugewinnausgleich stattfindet – jeder behält, was ihm gehört.
Allerdings sollte dokumentiert werden, dass beide Partner sich über die Folgen im Klaren waren. Einseitige Vorteilnahme ohne Aufklärung kann nämlich problematisch werden, vor allem wenn ein deutlicher wirtschaftlicher Unterschied besteht.
Gemeinsames Sorgerecht Trennung Unterhalt 👆Aufstockungsunterhalt bewusst ausschließen
Viele möchten im Ehevertrag den Aufstockungsunterhalt ausschließen – also den Anspruch, den wirtschaftlich schwächere Ehegatten nach der Scheidung haben können, um ein dem Ehelebensstandard entsprechendes Leben weiterzuführen (§ 1573 Abs. 2 BGB).
Das klingt auf den ersten Blick logisch: Warum soll man nach einer Trennung weiter den Lebensstandard des Ex-Partners finanzieren?
Doch Achtung: Wird der Aufstockungsunterhalt ersatzlos gestrichen und führt dies dazu, dass der unterlegene Ehepartner auf Sozialhilfe angewiesen ist, kann die Klausel vom Gericht als sittenwidrig eingestuft und für nichtig erklärt werden.
Formulierungsstrategie für Aufstockungsunterhalt
Eine Möglichkeit, das Risiko zu senken, ist nicht der vollständige Ausschluss, sondern eine Deckelung. Zum Beispiel könnte man festlegen:
„Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt wird auf das Niveau des Grundgehalts eines Angestellten der Entgeltgruppe EG X TVöD begrenzt.“
Das ist transparent, messbar und verhindert eine völlige Entrechtung.
Urlaubsantrag Familiengericht: Umgangsrecht durchsetzen 👆Versorgungsausgleich mit Maß begrenzen
Der Versorgungsausgleich ist der heimliche Stolperstein vieler Eheverträge. Er regelt den Ausgleich der in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften (§ 1587 BGB).
Ein vollständiger Ausschluss ist rechtlich möglich, wird aber nur selten akzeptiert, wenn eine gravierende wirtschaftliche Ungleichheit besteht. Gerade dann prüft das Familiengericht sehr genau, ob nicht eine einseitige Benachteiligung vorliegt.
Teilweiser Ausschluss als Ausweg
Ein smarter Ansatz: Nur bestimmte Rentenansprüche ausnehmen – etwa aus betrieblichen Zusatzversorgungen oder privaten Rentenversicherungen. Gleichzeitig kann man für gesetzliche Rentenansprüche den Ausgleich bestehen lassen, zumindest anteilig.
Kindergeld beantragen Verpflichtung bei Abzweigung 👆Warum nicht alles ausschließen?
Hier kommt das zentrale Dilemma: Je mehr man ausschließen will, desto größer wird das Risiko der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB. Besonders problematisch wird es, wenn der Ehevertrag in einer Situation großer Abhängigkeit oder Unwissenheit zustande kommt – etwa wenn ein Partner arbeitslos ist, kein juristisches Wissen hat und sich unter Druck gesetzt fühlt.
Wann ist ein Ehevertrag sittenwidrig?
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (z.B. Urteil vom 21.11.2007 – XII ZR 129/05) liegt Sittenwidrigkeit dann vor, wenn ein Ehevertrag eine krasse einseitige Lastenverteilung enthält, insbesondere bei Ausschluss von Versorgungsausgleich und Unterhalt.
Kindesunterhalt Wechselmodell 40 Prozent unfair? 👆Staffelmodelle als elegante Lösung
Eine kreative und rechtlich sichere Variante sind sogenannte Staffelmodelle. Sie verknüpfen Vertragsinhalte mit der Ehedauer. Zum Beispiel:
„Bei einer Scheidung innerhalb der ersten drei Jahre bleibt der Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Ab dem vierten Ehejahr erfolgt eine Beteiligung zu 25 %, ab dem siebten Jahr zu 50 %.“
Solche Regelungen werden von Gerichten eher akzeptiert, weil sie dem Gedanken der Ehe als Lebensgemeinschaft Rechnung tragen.
Scheidung EU-Ausland Anerkennung nötig? 👆Alternative: Einmalzahlungen statt Dauerpflichten
Anstelle langfristiger Unterhaltsverpflichtungen können einmalige Abfindungen eine praktikable Lösung sein. Diese schaffen Klarheit und vermeiden endlose Zahlungsverpflichtungen.
Beispielklausel für Abfindungsregelung
„Im Falle der Scheidung erhält Ehegatte 2 eine einmalige Ausgleichszahlung in Höhe von 50.000 Euro. Weitere Unterhaltsansprüche sind damit abgegolten.“
Diese Art der Regelung wirkt verbindlich und fair – insbesondere, wenn sie an objektiv nachvollziehbare Kriterien (z. B. Ehedauer) geknüpft wird.
Unterhaltszahlung Scheidung Ausland: Pflichten trotz Umzug 👆Gleichgewicht zwischen Schutz und Fairness
Ein Ehevertrag soll nicht bestrafen, sondern schützen – beide Seiten. Wer einseitig alles ausschließen will, riskiert nicht nur die Unwirksamkeit des Vertrags, sondern auch das Vertrauen des Partners.
Transparente Verhandlungen führen
Deshalb: Frühzeitig und offen über Inhalte sprechen. Auch wenn es unangenehm ist, ist es besser, alles im Vorfeld zu klären, als später vor Gericht zu stehen.
Ein guter Vertrag schützt nicht nur Vermögen, sondern auch die Beziehung – zumindest bis zur Trennung.
Gemeinsames Sorgerecht: Reitunterricht ohne Zustimmung? 👆Beratungspflicht ernst nehmen
Ein häufig übersehener Punkt: Der Notar ist zur Aufklärung verpflichtet, aber nicht zur einseitigen Beratung. Wer einen maßgeschneiderten Vertrag will, braucht einen Fachanwalt für Familienrecht. Dieser kann realistisch einschätzen, was vor Gericht Bestand hätte – und was nicht.
Umgangsrecht Kind Geburtstag: Wer entscheidet wirklich? 👆Typische Fehler bei Eheverträgen
Immer wieder sehen Gerichte Verträge, in denen wichtige Rechte komplett ausgeschlossen werden – ohne Rücksicht auf den Lebensverlauf oder spätere Entwicklungen.
Ein Ehevertrag, der sich zu sehr auf den Status quo konzentriert, verliert bei Veränderungen (z. B. Kinder, Krankheit, Arbeitslosigkeit) schnell seine Rechtssicherheit.
Haus mit dem Ex – Aussteigen trotz Schulden? 👆Dynamische Vertragsgestaltung wählen
Deshalb ist es ratsam, dynamisch zu denken. Nicht jedes Risiko lässt sich ausschließen – aber man kann es planbar machen. Wer seinen Partner ernst nimmt, plant fair – mit Respekt, Weitblick und einem klaren Kopf.
Fazit
Ein Ehevertrag bei großer wirtschaftlicher Diskrepanz ist kein Zeichen von Misstrauen – sondern von Verantwortungsbewusstsein. Wer den Aufstockungsunterhalt ausschließen oder den Versorgungsausgleich begrenzen möchte, muss rechtlich sauber und fair vorgehen. Dabei hilft kein bloßes „Copy-Paste“ aus dem Internet, sondern nur eine individuelle Regelung, die zur eigenen Beziehung passt. Die Ehevertrag Diskrepanz kann durch kluge Staffelregelungen, Deckelungen und transparente Kommunikation rechtssicher gestaltet werden, ohne dass ein Gericht später Sittenwidrigkeit feststellt. Wer frühzeitig handelt, kann das Vertrauen beider Seiten erhalten und späteren Konflikten vorbeugen – und genau darum geht es letztlich.
FAQ
Ist ein Ehevertrag bei Einkommensunterschieden überhaupt zulässig?
Ja, ein Ehevertrag ist auch bei deutlichen Unterschieden im Einkommen möglich. Wichtig ist, dass keine einseitige Übervorteilung stattfindet. Die Ehevertrag Diskrepanz darf nicht zu einer sittenwidrigen Benachteiligung führen.
Kann man Aufstockungsunterhalt vollständig ausschließen?
Grundsätzlich ja, aber mit Einschränkungen. Wenn durch den Ausschluss der unterlegene Partner auf Sozialleistungen angewiesen wäre, kann die Klausel sittenwidrig sein. Eine Deckelung ist oft die bessere Wahl.
Wie sieht eine faire Klausel zum Versorgungsausgleich aus?
Statt eines pauschalen Ausschlusses kann der Versorgungsausgleich auf bestimmte Rentenformen begrenzt oder gestaffelt werden. So wird die Ehevertrag Diskrepanz rechtlich besser abgesichert.
Ist ein Ehevertrag ohne Notar gültig?
Nein. Ein Ehevertrag muss zwingend notariell beurkundet werden (§ 1410 BGB). Ohne Notar ist der Vertrag unwirksam.
Was passiert, wenn ein Ehevertrag als sittenwidrig gilt?
Dann kann das Familiengericht einzelne Klauseln oder den ganzen Vertrag für unwirksam erklären. In dem Fall gilt wieder die gesetzliche Regelung – oft zum Nachteil des wirtschaftlich stärkeren Partners.
Kann man Staffelregelungen auch mit Unterhaltszahlungen kombinieren?
Ja, und das ist sogar empfehlenswert. Zum Beispiel: „Nach 5 Jahren Ehe besteht ein Unterhaltsanspruch für 12 Monate.“ Solche Regelungen werden oft akzeptiert.
Was sollte ich bei einem Ehevertrag mit Ausländer*in beachten?
In binationalen Ehen gelten oft unterschiedliche Rechtsordnungen. Hier sollte vorab geklärt werden, welches Recht Anwendung findet – deutsches oder ausländisches. Eine Rechtswahlklausel im Vertrag ist ratsam.
Kann der wirtschaftlich schwächere Partner sich wehren?
Ja. Wenn er den Vertrag nicht verstanden hat oder unter Druck gesetzt wurde, kann er den Vertrag später anfechten (§ 138 BGB). Daher sollten beide Seiten unabhängig beraten werden.
Ist ein Ehevertrag auch bei späterer Trennung noch anpassbar?
Grundsätzlich ja. Eheverträge können jederzeit von beiden Ehegatten gemeinsam neu verfasst und erneut notariell beurkundet werden.
Gibt es Alternativen zu einem umfassenden Ehevertrag?
Ja. Man kann sich auf einzelne Regelungen wie nur Gütertrennung oder Unterhaltsausschluss beschränken. Auch punktuelle Vereinbarungen – wie Einmalzahlungen bei Trennung – sind möglich.