Beim Thema Hol- und Bringpflicht beim Umgangsrecht kommt es in der Praxis häufig zu Spannungen. Wer muss die Kinder bringen und wer muss sie abholen? Diese Frage führt oft zu Streit zwischen getrennt lebenden Elternteilen – besonders dann, wenn das Gericht keine eindeutige Regelung dazu getroffen hat. In diesem Beitrag beleuchten wir eine echte Situation und erklären, wie die rechtliche Lage tatsächlich aussieht.
Umgangsrecht ohne Regelung zur Hol- und Bringpflicht – ein Fall aus der Praxis
In einer typischen Konfliktsituation zwischen getrennt lebenden Elternteilen stellt sich die Frage, ob der Vater, der zum Umgang berechtigt ist, auch verpflichtet ist, die Kinder zu holen und zurückzubringen. Die Mutter, die im Alltag den Hauptteil der Betreuung übernimmt, möchte nicht regelmäßig für die Fahrten aufkommen. Im Gerichtsbeschluss steht lediglich, an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten der Umgang stattfinden soll. Eine konkrete Zuweisung der Bring- oder Holpflicht fehlt.
Die Situation verschärft sich, als die Mutter – ohne rechtliche Klarheit – die Kinder zum Vater bringt, weil dieser angibt, kein Fahrzeug zur Verfügung zu haben. Später wird ihr von ihrer Anwältin mitgeteilt, dass sie nicht verpflichtet gewesen wäre, die Kinder zu bringen. Als der Vater dann am Folgetag seinerseits die Kinder nicht wie vereinbart zurückbringt, steht die Mutter vor der nächsten Hürde: Verstößt der Vater gegen den Umgangsbeschluss, obwohl im Beschluss nichts zur Rückbringpflicht steht?
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Rechtsprechung zur Bringpflicht des umgangsberechtigten Elternteils
Nach ständiger Rechtsprechung wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass der umgangsberechtigte Elternteil – also in vielen Fällen der Vater – sowohl für das Abholen als auch das Zurückbringen der Kinder verantwortlich ist. Diese Auffassung hat sich auch in der familiengerichtlichen Praxis durchgesetzt. Sie ergibt sich aus dem Gedanken, dass der Umgang mit dem Kind ein Recht und zugleich eine Pflicht ist (§ 1684 BGB), und es dem Elternteil nicht zugemutet werden soll, durch logistische oder finanzielle Hürden von der Wahrnehmung des Umgangs abzusehen.
Keine ausdrückliche Regelung – trotzdem klare Zuständigkeit
Fehlt eine ausdrückliche Anordnung zur Hol- und Bringpflicht im gerichtlichen Vergleich oder Beschluss, heißt das nicht, dass niemand verpflichtet ist. In diesen Fällen greift die allgemeine Auslegung: Der Umgangsberechtigte muss den Kontakt eigenständig organisieren und darf ihn nicht von der Mitwirkung des anderen Elternteils abhängig machen. Dies entspricht auch dem Kindeswohl, denn ständige Diskussionen um die Übergabezeiten wirken sich belastend auf das Kind aus.
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Umgangsverweigerung wegen nicht organisierter Rückgabe
Wenn der Vater die Kinder zum Beispiel sonntags um 18 Uhr nicht zurückbringt, obwohl die Umgangszeit zu diesem Zeitpunkt endet, kann das durchaus als Verstoß gegen den gerichtlichen Umgangsbeschluss gewertet werden. Der Wortlaut des Beschlusses ist hier entscheidend: Ist ein Zeitfenster konkret benannt – etwa „von Samstag 9:00 Uhr bis Sonntag 18:00 Uhr“ – endet der Umgang genau zu diesem Zeitpunkt. Eine fehlende Regelung zur Rückbringung entbindet den Umgangsberechtigten nicht von seiner Verantwortung.
Mögliche Konsequenzen: Ordnungsgeld und Zwangsvollstreckung
Verstößt ein Elternteil wiederholt gegen den Umgangsbeschluss, kann der andere Elternteil beim Familiengericht Ordnungsmittel gemäß § 89 FamFG beantragen. Dies umfasst zunächst ein Ordnungsgeld, in schweren oder wiederholten Fällen sogar Ordnungshaft. Voraussetzung ist jedoch, dass der Verstoß konkret nachgewiesen und ein entsprechender Vollstreckungstitel vorliegt.
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Praktische Vereinbarungen mit Risiko
Viele Eltern treffen zunächst private Absprachen über Hol- und Bringdienste. Solange beide Seiten kooperieren, funktioniert dies oft problemlos. Sobald jedoch Uneinigkeit auftritt – etwa, wenn ein Elternteil regelmäßig absagt oder Forderungen stellt – gibt es keine rechtlich durchsetzbare Grundlage. Das führt zu Unsicherheiten, wie in dem eingangs geschilderten Fall, in dem die Mutter sich gedrängt fühlte, selbst zu fahren.
Was tun bei Eskalation?
Kommt es regelmäßig zu Problemen bei der Übergabe, empfiehlt es sich, beim Familiengericht einen neuen Antrag zu stellen, in dem die Hol- und Bringpflicht ausdrücklich geregelt wird. Alternativ kann auch eine verbindliche Umgangsvereinbarung mit anwaltlicher Unterstützung erstellt und notariell beurkundet werden. Solche Regelungen schaffen Klarheit und schützen alle Beteiligten vor künftigen Streitigkeiten.
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Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Lebt der umgangsberechtigte Elternteil weit entfernt – etwa in einer anderen Stadt oder sogar einem anderen Bundesland –, kann die Hol- und Bringpflicht ausnahmsweise aufgeteilt oder angepasst werden. Die Gerichte orientieren sich dabei an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wenn etwa beide Elternteile wirtschaftlich ähnlich aufgestellt sind, wird eine faire Teilung angestrebt.
Beispielhafte Entscheidung aus der Praxis
Das Oberlandesgericht Brandenburg (Beschluss vom 10.09.2007 – 10 UF 89/07) stellte klar, dass bei einer Entfernung von über 200 Kilometern die Fahrten für beide Seiten unzumutbar sein können. In solchen Fällen wurde eine Regelung getroffen, bei der beide Eltern je eine Strecke pro Umgangswochenende übernehmen mussten.
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Umgangsverweigerung durch Passivität
Weigert sich der umgangsberechtigte Elternteil konsequent, die Kinder abzuholen oder zurückzubringen, und begründet er dies mit zweifelhaften Argumenten („kein Auto“, „keine Zeit“, „keine Lust“), dann kann dies langfristig als Verstoß gegen das Kindeswohl gewertet werden. Die Gerichte bewerten solches Verhalten zunehmend kritisch, vor allem dann, wenn die Kinder unter der Situation leiden oder sich in Loyalitätskonflikten wiederfinden.
Einschaltung des Jugendamts oder Gerichts
In eskalierenden Fällen kann das Jugendamt eingeschaltet werden, um eine Vermittlung herbeizuführen. Kommt es zu keiner Einigung, bleibt der Weg zum Familiengericht. Dort kann nicht nur eine Neuregelung beantragt, sondern auch eine Übertragung einzelner Teile der elterlichen Sorge gemäß § 1671 BGB geprüft werden – etwa, wenn ein Elternteil dauerhaft seine Verantwortung nicht wahrnimmt.
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Keine übereilten Entscheidungen treffen
Auch wenn es schwerfällt: Wer glaubt, im Recht zu sein, sollte nicht vorschnell auf Konfrontation gehen. Das Zurückhalten der Kinder als Druckmittel ist in der Regel kontraproduktiv und kann selbst als Verstoß gewertet werden. Eine besonnene Reaktion, gegebenenfalls mit anwaltlicher Rückendeckung, ist langfristig effektiver.
Umgangsregelung durchsetzen
Ist eine gerichtliche Regelung vorhanden, kann diese – wenn nötig – mit Hilfe des Gerichts durchgesetzt werden. Fehlt eine klare Anweisung zur Hol- und Bringpflicht, lohnt es sich, eine Ergänzung zu beantragen. So lässt sich der Streit künftig vermeiden, und alle Beteiligten – insbesondere die Kinder – gewinnen an Sicherheit und Planbarkeit.
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Die Frage nach der Hol- und Bringpflicht beim Umgang sorgt regelmäßig für Streit zwischen getrennt lebenden Elternteilen – besonders dann, wenn gerichtliche Beschlüsse unklar formuliert sind oder keine explizite Regelung enthalten. Doch die Rechtslage ist im Grundsatz eindeutig: In aller Regel trägt der umgangsberechtigte Elternteil die Verantwortung für die Organisation der Umgangskontakte – also auch für das Bringen und Holen der Kinder. Wer seine Pflicht ignoriert, riskiert nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern auch langfristige Belastungen für die Kinder und das Familienklima. Um Konflikte dauerhaft zu vermeiden, ist es sinnvoll, gerichtliche Umgangsregelungen um präzise Angaben zur Hol- und Bringpflicht zu ergänzen. Nur so kann der Umgang reibungslos und im Sinne des Kindeswohls verlaufen.
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Muss der Vater die Kinder immer holen und bringen?
Grundsätzlich ja. Nach gefestigter Rechtsprechung ist der umgangsberechtigte Elternteil für die gesamte Organisation des Umgangs zuständig. Dazu gehört auch die Hol- und Bringpflicht – selbst wenn dies nicht ausdrücklich im Beschluss steht.
Was passiert, wenn der Vater die Kinder nicht zurückbringt?
Hält sich der Vater nicht an die Rückgabezeiten aus einem Umgangsbeschluss, kann dies als Verstoß gegen die gerichtliche Anordnung gewertet werden. In solchen Fällen kann ein Ordnungsgeld nach § 89 FamFG beantragt werden.
Gilt die Hol- und Bringpflicht auch ohne Gerichtsbeschluss?
Ja, sofern keine ausdrückliche Absprache existiert, wird in der Praxis davon ausgegangen, dass der Umgangsberechtigte – also in vielen Fällen der Vater – für das Holen und Bringen verantwortlich ist. Das ergibt sich aus dem allgemeinen Umgangsrecht (§ 1684 BGB).
Was kann ich tun, wenn der andere Elternteil den Umgang immer wieder verweigert?
Wenn der umgangsberechtigte Elternteil regelmäßig nicht erscheint oder keine Bereitschaft zeigt, die Kinder zu holen, kann das Familiengericht angerufen werden. Es kann dann Maßnahmen bis hin zur Übertragung einzelner Sorgerechte prüfen.
Darf ich die Kinder zurückhalten, wenn der Vater sie nicht pünktlich bringt?
Nein, das Zurückhalten der Kinder wäre selbst ein Verstoß gegen das Umgangsrecht. Besser ist es, den Vorfall zu dokumentieren und gerichtliche Schritte zu prüfen, anstatt mit gleicher Münze zu reagieren.
Gibt es Ausnahmen von der Hol- und Bringpflicht?
In Ausnahmefällen – etwa bei großen Entfernungen oder besonderer gesundheitlicher Lage – kann eine abweichende Regelung getroffen werden. Dies muss jedoch im Einzelfall geprüft und in der Regel gerichtlich beschlossen werden.
Was steht im Gesetz zur Umgangspflicht?
Das Umgangsrecht und die damit verbundenen Pflichten sind in § 1684 BGB geregelt. Dort heißt es, dass jedes Elternteil zum Umgang mit dem Kind berechtigt und verpflichtet ist – das schließt organisatorische Pflichten mit ein.
Muss ich das Jugendamt einschalten?
Wenn Gespräche mit dem anderen Elternteil scheitern und die Situation dauerhaft eskaliert, kann das Jugendamt als vermittelnde Stelle eingeschaltet werden. Es kann helfen, Lösungen zu entwickeln oder eine gerichtliche Regelung vorzubereiten.
Kann ich Hol- und Bringpflicht gerichtlich regeln lassen?
Ja. Auf Antrag kann das Familiengericht eine ergänzende Regelung zur Umgangsverpflichtung treffen. Solche Anordnungen sind dann vollstreckbar und helfen, künftige Streitigkeiten zu vermeiden.
Wie oft muss die Hol- und Bringpflicht durchgeführt werden?
So oft wie im Umgangsbeschluss vereinbart wurde. Gibt es wöchentliche oder zweiwöchentliche Umgangszeiten, muss der Umgangsberechtigte auch entsprechend regelmäßig den Hol- und Bringdienst leisten. Nur bei triftigen Gründen kann eine Abweichung gerechtfertigt sein.
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