Wenn ein Kind volljährig wird, verändert sich die Berechnung vom Kindesunterhalt grundlegend. Plötzlich zählt nicht mehr nur das Einkommen eines Elternteils – beide Eltern müssen sich beteiligen. Doch was passiert, wenn ein Elternteil mietfrei im eigenen Haus lebt? Genau hier kommt der sogenannte Wohnvorteil ins Spiel.
Volljähriges Kind und Unterhaltspflicht – ein Beispiel aus der Praxis
Markus ist seit über zehn Jahren von der Mutter seiner Kinder getrennt. Bisher hat er durchgehend und gewissenhaft Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle gezahlt. Seine älteste Tochter wird nun 18 Jahre alt, und damit ändert sich die unterhaltsrechtliche Lage deutlich. Markus weiß: Ab der Volljährigkeit sind beide Elternteile barunterhaltspflichtig. Doch wie genau läuft das ab? Welche Rolle spielt sein eigenes Einkommen – und wie wird das Einkommen der Mutter berechnet, wenn sie in einem abbezahlten Haus lebt? Die Frage nach dem „Wohnvorteil“ wird plötzlich sehr konkret.
Verfahrenskostenhilfe prüfen lassen – geht das? 👆Unterhaltspflicht beider Elternteile ab 18
Sobald das Kind volljährig ist, endet die Alleinverantwortung eines Elternteils für den Barunterhalt.
Barunterhaltspflicht beider Eltern
Mit dem 18. Geburtstag ist das Kind nach dem Gesetz (§ 1601 BGB) grundsätzlich selbstständig, bleibt aber unterhaltsberechtigt, solange es sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet. In dieser Phase sind beide Elternteile anteilig barunterhaltspflichtig. Das bedeutet: Der bisher betreuende Elternteil – meist die Mutter – ist nicht mehr allein für die Betreuung zuständig, sondern muss nun auch finanziell direkt zum Unterhalt beitragen.
Berechnung nach addiertem Einkommen
Die zentrale Grundlage ist das zusammengerechnete unterhaltsrelevante Einkommen beider Elternteile. Davon ausgehend wird die Unterhaltshöhe anhand der Düsseldorfer Tabelle für volljährige Kinder ermittelt. Wichtig: Das Kindergeld wird vollständig auf den Bedarf angerechnet (§ 1612b BGB).
Psychisch instabile Mutter Kinder – Vater kämpft um Sicherheit 👆Der Wohnvorteil – was bedeutet das eigentlich?
In die Berechnung des unterhaltsrelevanten Einkommens fließt auch der sogenannte Wohnvorteil mit ein – besonders dann, wenn ein Elternteil mietfrei in einer eigenen Immobilie lebt.
Definition des Wohnvorteils
Ein Wohnvorteil liegt vor, wenn jemand eine Immobilie nutzt, für die keine Miete gezahlt werden muss. In Markus’ Fall betrifft das die Mutter seiner Kinder: Sie lebt im abbezahlten Eigenheim. Dadurch spart sie sich Mietkosten, die bei einem Dritten regelmäßig anfallen würden. Dieser Vorteil wird als zusätzliches Einkommen gewertet, da er die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht.
Berechnungsweise des Wohnvorteils
Zur Berechnung dient in der Regel die ortsübliche Kaltmiete für eine vergleichbare Wohnung. Die Fläche des Hauses wird mit dem regional üblichen Quadratmeterpreis multipliziert. So ergibt sich der sogenannte objektive Wohnwert. In bestimmten Fällen – zum Beispiel bei Kindern über 18 Jahren – kann jedoch auch nur der angemessene Wohnwert angesetzt werden, also das, was für eine kleinere, dem Bedarf entsprechende Wohnung üblich wäre.
Umgangsrecht verweigern bei Überforderung? 👆Wohnvorteil bei volljährigen Kindern – Besonderheiten
Bei volljährigen Kindern ist der Ansatz des Wohnvorteils nicht immer eindeutig geregelt.
Subjektiver oder objektiver Wohnwert?
Einige Stimmen in der Literatur und Praxis vertreten die Auffassung, dass bei volljährigen Kindern nicht der objektive Marktwert, sondern lediglich ein angemessener Wohnwert anzusetzen sei. Die Begründung: Die unterhaltsrechtliche Stellung volljähriger Kinder ist schwächer als die von minderjährigen. Diese Sichtweise lehnt sich an die Rechtsprechung zum Elternunterhalt an (vgl. OLG Frankfurt, Leitlinien zum Unterhalt).
Keine einheitliche Linie in der Rechtsprechung
Bisher gibt es keine einheitliche Linie. Die Düsseldorfer Tabelle selbst trifft keine Unterscheidung zwischen objektivem und angemessenem Wohnwert im Zusammenhang mit volljährigen Kindern. Gerichte können also je nach Fall unterschiedlich entscheiden – je nachdem, wie sie die Angemessenheit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bewerten.
Abholung Zweitwohnsitz Kind: Was gilt rechtlich? 👆Praxisbezug: Wie wirkt sich der Wohnvorteil auf den Unterhalt aus?
Für Markus bedeutet der Wohnvorteil der Mutter, dass ihr Einkommen bei der Quotenberechnung höher angesetzt wird.
Auswirkungen auf die Verteilung
Das zusammengerechnete bereinigte Einkommen beider Eltern wird verwendet, um den Bedarf des Kindes zu ermitteln. Daraus ergibt sich eine Quote: Wer welchen Anteil am Gesamtunterhalt trägt. Ist der Wohnvorteil hoch, wird der Anteil der Mutter am Unterhalt steigen – und Markus’ Anteil sinkt entsprechend.
Kindergeld als Teil der Rechnung
Das Kindergeld (2024: 250 € monatlich) wird vollständig angerechnet. Es reduziert den zu zahlenden Betrag der Eltern anteilig. Auch dadurch kann sich die Belastung für Markus vermindern, obwohl die Düsseldorfer Tabelle für 2024 eine Erhöhung der Bedarfssätze vorsieht.
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Nicht jeder Wohnvorteil führt zwangsläufig zu einer Erhöhung der Unterhaltslast.
Berücksichtigung von Finanzierungskosten
Wenn das Haus noch nicht vollständig abbezahlt ist, werden Zins- und Tilgungsleistungen berücksichtigt (§ 556 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 BetrKV). Auch notwendige Instandhaltungskosten können vom Wohnwert abgezogen werden. Der verbleibende Betrag ist dann der sogenannte Wohnvorteil, der als Einkommen zählt.
Abbezahltes Haus ohne Belastungen
In Markus’ Fall liegt der Fall jedoch anders: Die Immobilie der Mutter ist vollständig abbezahlt. Damit fallen keine Tilgungs- oder Zinslasten an. Auch Instandhaltungskosten werden in der Praxis selten geltend gemacht. Deshalb dürfte der volle objektive Wohnwert in die Berechnung einfließen – sofern kein Gericht etwas anderes entscheidet.
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Ein weiteres wichtiges Detail: Viele Unterhaltspflichten sind durch einen sogenannten Unterhaltstitel geregelt.
Bedeutung bestehender Titel
Wenn ein Unterhaltstitel besteht, der über die Volljährigkeit hinausreicht, bleibt dieser grundsätzlich wirksam. Der Zahlende – in diesem Fall Markus – muss aktiv dafür sorgen, dass dieser Titel aufgehoben oder angepasst wird. Andernfalls droht die Gefahr, dass ein zu hoher Unterhalt weitergezahlt werden muss.
Möglichkeit der Abänderung
Eine Abänderung kann formlos erfolgen, etwa durch Rückgabe der vollstreckbaren Ausfertigung oder eine Vereinbarung mit dem volljährigen Kind. In komplizierten Fällen kann auch ein gerichtliches Verfahren erforderlich sein (§ 239 FamFG).
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Wenn das Kind volljährig wird, ändert sich die Rechtslage beim Kindesunterhalt grundlegend – und damit auch die Pflichten beider Elternteile. Das Einkommen beider Eltern wird gemeinsam betrachtet und auf dieser Grundlage der Unterhaltsbedarf ermittelt. Ein oft übersehener, aber entscheidender Aspekt dabei ist der sogenannte Wohnvorteil. Lebt ein Elternteil mietfrei im Eigenheim, wirkt sich dieser Umstand einkommenserhöhend aus – was wiederum Einfluss auf die prozentuale Unterhaltsverteilung hat.
Gerade bei abbezahlten Immobilien, wie im Fall der Mutter in unserem Beispiel, wird der volle objektive Wohnwert meist als Wohnvorteil berücksichtigt. Das bedeutet für den zahlungspflichtigen Elternteil eine potenzielle Entlastung. Dennoch bleibt es wichtig, die genaue Berechnung stets im Blick zu behalten und bestehende Unterhaltstitel rechtzeitig anpassen zu lassen. Nur so lässt sich vermeiden, dass zu viel gezahlt oder einseitig benachteiligt wird. Wer beim Thema Kindesunterhalt ab 18 Jahre Klarheit schaffen möchte, kommt an einer fundierten Auseinandersetzung mit Wohnvorteil und Einkommensermittlung nicht vorbei.
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Was bedeutet Wohnvorteil im Unterhaltsrecht?
Der Wohnvorteil bezeichnet den geldwerten Vorteil, wenn ein Elternteil mietfrei in einer eigenen Immobilie lebt. Dieser Vorteil wird als fiktives Einkommen bei der Berechnung des Kindesunterhalts angerechnet, insbesondere bei der Quotenverteilung ab dem 18. Lebensjahr.
Wie beeinflusst der Wohnvorteil den Kindesunterhalt ab 18 Jahre?
Wenn ein Elternteil einen Wohnvorteil hat, erhöht sich dessen unterhaltsrelevantes Einkommen. Dadurch steigt sein Anteil am Kindesunterhalt, während der andere Elternteil – wie im Beispiel Markus – entlastet wird. Das ist bei volljährigen Kindern besonders relevant, da beide Eltern barunterhaltspflichtig sind.
Wird immer der objektive Wohnwert angesetzt?
In vielen Fällen wird der objektive Wohnwert als Grundlage genommen. Das ist die Miete, die für eine vergleichbare Immobilie auf dem freien Markt erzielbar wäre. In bestimmten Situationen – etwa bei volljährigen Kindern – diskutiert man jedoch, ob auch ein angemessener Wohnwert ausreicht.
Muss ein abbezahltes Haus immer zum Wohnvorteil führen?
Ja, grundsätzlich führt ein abbezahltes Haus zu einem Wohnvorteil. Es sei denn, es gibt triftige Gründe, warum der Wohnwert nicht oder nur eingeschränkt angerechnet wird. In der Praxis wird aber bei volljährigen Kindern in der Regel der volle Wohnvorteil berücksichtigt.
Was passiert mit bestehenden Unterhaltstiteln, wenn das Kind volljährig wird?
Ein bestehender Unterhaltstitel bleibt auch nach Eintritt der Volljährigkeit gültig, sofern er nicht ausdrücklich angepasst oder aufgehoben wird. Der zahlungspflichtige Elternteil muss sich aktiv um die Änderung kümmern, wenn der Unterhalt neu berechnet werden soll.
Wie wird das Einkommen der Eltern für den Unterhalt ab 18 berechnet?
Zunächst wird das bereinigte Nettoeinkommen jedes Elternteils ermittelt. Dazu gehören auch geldwerte Vorteile wie der Wohnvorteil. Anschließend wird der gesamte Bedarf des Kindes gemäß Düsseldorfer Tabelle bestimmt und auf beide Eltern nach Einkommensquote aufgeteilt.
Spielt das Kindergeld bei der Berechnung eine Rolle?
Ja, das Kindergeld wird ab dem 18. Lebensjahr in voller Höhe auf den Unterhaltsbedarf angerechnet. Es reduziert somit den Zahlbetrag beider Elternteile anteilig.
Kann man den Wohnvorteil auch pauschal schätzen?
In manchen Fällen, insbesondere wenn keine konkreten Zahlen vorliegen, kann der Wohnvorteil geschätzt werden – zum Beispiel anhand der ortsüblichen Vergleichsmieten. Dennoch ist eine konkrete Berechnung stets vorzuziehen, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
Welche rechtlichen Grundlagen gelten für die Berechnung?
Die zentrale gesetzliche Grundlage ist § 1601 BGB zur Unterhaltspflicht. Ergänzend kommen § 1610 BGB (angemessener Lebensbedarf) sowie die Leitlinien der Oberlandesgerichte und die Düsseldorfer Tabelle zur Anwendung. Auch § 556 BGB und die Betriebskostenverordnung spielen beim Wohnvorteil eine Rolle.
Sollte man sich bei Unklarheiten rechtlich beraten lassen?
Definitiv. Gerade beim Thema Kindesunterhalt ab 18 Jahre und Wohnvorteil ist die Rechtslage komplex. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte frühzeitig eine rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, um spätere Rückforderungen oder Nachteile zu vermeiden.
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