Mehrbedarf Unterhalt Anrechnung Schulgeld richtig verstehen

Mehrbedarf Unterhalt Anrechnung Schulgeld – viele Eltern stellen sich genau diese Frage, wenn es um die finanzielle Belastung für Privatschulen geht. Aber was sagt das Gesetz dazu? Und wie bewerten Gerichte solche Fälle? In diesem Beitrag klären wir, ob das Schulgeld beim bereinigten Nettoeinkommen berücksichtigt wird oder nicht.

Berechnung des Unterhalts und Mehrbedarf

Bevor wir über die Anrechnung sprechen, müssen wir erstmal verstehen, was genau „Mehrbedarf“ im familienrechtlichen Sinne bedeutet.

Was genau zählt zum Mehrbedarf?

Mehrbedarf ist laut ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z. B. BGH XII ZR 3/09) derjenige finanzielle Aufwand, der regelmäßig und vorhersehbar zusätzlich zum Grundbedarf eines Kindes entsteht. Dazu gehören zum Beispiel Nachhilfekosten, Fahrtkosten bei langem Schulweg, medizinische Sonderbehandlungen – und eben auch das Schulgeld für Privatschulen, sofern gewisse Voraussetzungen erfüllt sind.

Wird Schulgeld immer als Mehrbedarf anerkannt?

Nicht unbedingt. Entscheidend ist, ob der Besuch einer Privatschule sachlich gerechtfertigt ist. Das kann der Fall sein, wenn es am Wohnort keine vergleichbare staatliche Schule gibt oder besondere pädagogische Angebote nur in der privaten Schule vorhanden sind. Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einem Beschluss (2.9.2013 – 13 UF 136/12) klargestellt, dass ein Schulgeld grundsätzlich als Mehrbedarf angesehen werden kann, aber nur bei entsprechender sachlicher Begründung. Reiner Luxus oder elterlicher Ehrgeiz reichen nicht aus.

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Anrechnung auf das Einkommen des Pflichtigen

Jetzt wird es technisch: Wird das Schulgeld vom Einkommen abgezogen, das zur Unterhaltsberechnung herangezogen wird?

Das bereinigte Nettoeinkommen als Grundlage

Für die Berechnung des Kindesunterhalts ist das sogenannte „bereinigte Nettoeinkommen“ entscheidend. Das ist das Nettoeinkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils, reduziert um bestimmte abzugsfähige Posten – etwa berufsbedingte Aufwendungen, Schulden, Altersvorsorge oder Umgangskosten.

Zählt das Schulgeld zu diesen Abzügen?

Hier wird es spannend. Denn obwohl das Schulgeld als Mehrbedarf gilt, bedeutet das nicht automatisch, dass es beim bereinigten Nettoeinkommen abgezogen werden darf. Mehrere Gerichte, unter anderem das OLG Hamm (13 UF 219/07), sehen das Schulgeld nicht als Abzugsposten an, sondern behandeln es als zusätzlichen Bedarf, der neben dem Regelunterhalt zu zahlen ist. Würde man das Schulgeld vorher vom Einkommen abziehen, entstünde ein logischer Zirkel: Der Bedarf reduziert das Einkommen, das Einkommen wiederum bestimmt den Bedarf.

Aber was ist mit der Düsseldorfer Tabelle?

Genau hier liegt das Dilemma. Denn je nachdem, in welcher Einkommensgruppe man sich befindet, verändert sich die Höhe des zu zahlenden Unterhalts. Wenn das Schulgeld nun dafür sorgt, dass jemand in eine niedrigere Gruppe rutscht, könnte das als gerechter empfunden werden. Rechtlich ist das jedoch nicht zulässig – so die herrschende Meinung.

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Praktische Bewertung und Spielraum

Trotz der klaren Linie in der Theorie gibt es in der Praxis gewisse Grauzonen und Verhandlungsspielräume.

Verhandlung mit dem betreuenden Elternteil

In vielen Fällen ist es eine Frage der Verständigung. Wer freiwillig das Schulgeld trägt und dennoch hofft, dadurch weniger Unterhalt zahlen zu müssen, sollte das offen mit dem betreuenden Elternteil besprechen. Das Gericht wird jedoch meist darauf bestehen, dass das bereinigte Einkommen unabhängig vom Mehrbedarf ermittelt wird.

Anteilige Haftung bei beiden Elternteilen

Außerdem muss beachtet werden: Für den Mehrbedarf haften grundsätzlich beide Eltern anteilig nach ihren jeweiligen Einkommensverhältnissen. Wenn also ein Elternteil deutlich mehr verdient, trägt er auch einen größeren Teil des Schulgelds – aber eben nicht durch eine Reduzierung des allgemeinen Unterhalts.

Mögliche Ausnahmefälle

In seltenen Fällen – etwa bei Mangelfällen, wo das Einkommen nicht für Mindestunterhalt reicht – kann es zu abweichenden Berechnungen kommen. Dann könnten Gerichte individuell abwägen, wie die Belastung verteilt wird. Eine feste Regel gibt es dafür aber nicht.

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Fazit

Mehrbedarf Unterhalt Anrechnung Schulgeld – das ist kein einfaches Thema, vor allem wenn Privatschulgebühren ins Spiel kommen. Die wichtigste Erkenntnis: Das Schulgeld zählt grundsätzlich als Mehrbedarf, wird aber nicht vom unterhaltsrelevanten Einkommen abgezogen. Das bereinigte Nettoeinkommen bleibt davon unberührt, weil der Mehrbedarf zusätzlich zum Basisunterhalt betrachtet wird. Nur wenn der Privatschulbesuch objektiv notwendig ist, wird das Schulgeld rechtlich anerkannt – reine Prestigegründe reichen nicht aus. Auch wenn diese Regelung für viele Unterhaltspflichtige ungerecht erscheinen mag, verhindert sie rechnerische Schleifen in der Unterhaltsberechnung und schafft klare Verhältnisse bei der Haftungsverteilung. Wer die eigene Situation als Sonderfall betrachtet, sollte das Gespräch mit dem anderen Elternteil suchen oder eine gerichtliche Klärung anstreben.

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FAQ

Was bedeutet „Mehrbedarf“ im Unterhaltsrecht?

Mehrbedarf bezeichnet regelmäßige, vorhersehbare Zusatzkosten, die über den normalen Lebensunterhalt hinausgehen – etwa Schulgeld, Nachhilfe oder Fahrtkosten. Diese Ausgaben entstehen dauerhaft und sind nicht durch den Grundunterhalt gedeckt.

Gehört das Schulgeld zum Mehrbedarf?

Ja, Schulgeld kann grundsätzlich als Mehrbedarf anerkannt werden, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Entscheidend ist, ob der Besuch einer Privatschule notwendig ist – zum Beispiel wegen besonderer pädagogischer Angebote oder fehlender öffentlicher Alternativen. Wenn es sich nur um eine elterliche Wunschentscheidung handelt, wird das Schulgeld nicht als unterhaltsrechtlich relevanter Mehrbedarf anerkannt.

Wird der Mehrbedarf vom Nettoeinkommen abgezogen?

Nein. Das bereinigte Nettoeinkommen bleibt vom Mehrbedarf unberührt. Mehrbedarf wird separat betrachtet und verteilt sich anteilig auf beide Elternteile nach deren Einkommen. Der Versuch, Schulgeld vom Einkommen abzuziehen, widerspricht dem Berechnungsmodell der Düsseldorfer Tabelle.

Warum darf man das Schulgeld nicht vom Einkommen abziehen?

Weil das zu einer Endlosschleife führen würde: Der Bedarf würde das Einkommen senken, das Einkommen wiederum den Bedarf beeinflussen usw. Deshalb bleibt der Unterhaltsbedarf unabhängig von der Frage, wie hoch der Mehrbedarf ist. Das verhindert rechnerisches Chaos.

Was ist, wenn ich durch das Schulgeld in eine niedrigere Einkommensstufe falle?

Auch dann bleibt das bereinigte Einkommen unverändert. Die Düsseldorfer Tabelle richtet sich nach dem Einkommen vor Abzug des Mehrbedarfs. Eine Herabstufung allein wegen des Schulgeldes ist nicht vorgesehen. Es sei denn, das Gericht erkennt ausnahmsweise eine besondere Belastungslage an – was aber selten passiert.

Wer muss den Mehrbedarf bezahlen?

Beide Elternteile haften anteilig entsprechend ihrer Einkommensverhältnisse. Das bedeutet: Wer mehr verdient, zahlt auch einen höheren Anteil am Schulgeld. Diese Aufteilung erfolgt unabhängig vom betreuenden Elternteil und wird notfalls vom Familiengericht festgelegt.

Gibt es Gerichtsurteile zum Thema?

Ja, beispielsweise das OLG Brandenburg (Beschluss vom 2.9.2013 – 13 UF 136/12). Dort wurde entschieden, dass eine anteilige Berücksichtigung des Schulgelds als Mehrbedarf möglich ist, sofern der Schulbesuch gerechtfertigt ist. Andere Gerichte wie das OLG Hamm (13 UF 219/07) bestätigen, dass dieser Mehrbedarf nicht vom Einkommen abgezogen werden darf.

Kann ich das mit dem anderen Elternteil individuell regeln?

Ja, das ist sogar empfehlenswert. In vielen Fällen lassen sich faire Lösungen im direkten Gespräch finden – auch abseits der rechtlichen Vorgaben. Wer mehr Transparenz und Flexibilität will, sollte eine schriftliche Einigung in Erwägung ziehen. Diese kann auch gerichtlich abgesichert werden.

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