Nach einer Scheidung stellt sich oft die Frage, welche Vermögenswerte in die Unterhaltsberechnung einfließen. Besonders die Direktversicherung und vorhandene Ersparnisse sorgen regelmäßig für Unsicherheit. Dieser Artikel beleuchtet anhand eines konkreten Falls, wann Vermögen und ausgezahlte Direktversicherungen beim nachehelichen Unterhalt wirklich relevant werden.
Scheidungsfall mit Direktversicherung
In einem kürzlich entschiedenen Fall wurde am 26. Juni 2024 die Ehe rechtskräftig geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde auf beiderseitigen Wunsch hin ausgeschlossen. Die Ex-Ehefrau verweigerte den Rechtsmittelverzicht, da sie Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt geltend machen möchte. Im Raum steht zudem, ob ihre eigenen Ersparnisse sowie eine in der Ehezeit ausgezahlte Direktversicherung des Ex-Mannes dabei berücksichtigt werden.
Verzicht auf Versorgungsausgleich
Die Eheleute verzichteten einvernehmlich auf den Versorgungsausgleich gemäß § 6 VersAusglG. Der Verzicht wurde gerichtlich protokolliert und gilt umfassend – auch für zukünftige Ansprüche nach der Scheidung. Der Hintergrund dieses Verzichts war ein gegenseitiger Ausgleich: Beide hätten im Rahmen des Ausgleichs etwa gleich viel Rentenanspruch übertragen bekommen.
Vermögensermittlung im Trennungsjahr
Im Trennungsjahr wurde laut Aussagen des Beteiligten keine Regelung zum Zugewinnausgleich getroffen. Auch über vorhandene Ersparnisse oder die Direktversicherung wurde im Scheidungsbeschluss nichts vermerkt. Die Scheidung selbst wurde isoliert verhandelt, ohne Antrag auf Zugewinn oder Unterhalt. Die Frage ist nun, ob diese Punkte nachträglich geltend gemacht werden können.
Ehevertrag Sittenwidrigkeit bei Rentenverzicht? 👆Direktversicherung und deren Bedeutung
Direktversicherungen spielen im Unterhaltsrecht eine differenzierte Rolle. Sie gelten je nach Zeitpunkt der Auszahlung und Verwendung als Einkommen oder Vermögen.
Auszahlung während der Ehezeit
Wenn die Direktversicherung während der Ehezeit ausgezahlt wurde und dem täglichen Lebensunterhalt diente, kann sie unter bestimmten Umständen als verbrauchtes Vermögen gelten. Anders ist es, wenn die Auszahlung nicht verbraucht, sondern angelegt oder zurückgelegt wurde – dann könnte sie als verwertbares Vermögen in die Unterhaltsbemessung einfließen.
Gesetzliche Grundlage zur Verwertung
Nach § 1577 Abs. 3 BGB ist bei der Unterhaltsberechnung auch vorhandenes Vermögen zu berücksichtigen, wenn und soweit dessen Verwertung zumutbar ist. Das bedeutet konkret: Hat der Unterhaltsempfänger eigenes Vermögen – zum Beispiel hohe Ersparnisse oder eine angesparte Direktversicherung – kann dies den Unterhaltsanspruch mindern oder ganz ausschließen.
Halbschwester Name herausfinden ohne Hilfe 👆Relevanz des Vermögens der Ex-Partnerin
Ein weiterer Streitpunkt im geschilderten Fall betrifft das Vermögen der Ex-Ehefrau. Diese soll über Ersparnisse in Höhe von rund 20.000 Euro verfügen, die sie während der Ehezeit angespart hat.
Beweislast und Offenlegung
Im Unterhaltsprozess trifft den Unterhaltspflichtigen zunächst die Darlegungslast für die Behauptung, dass Vermögen beim Unterhaltsgläubiger vorhanden ist. Danach muss die unterhaltsberechtigte Person nach § 1605 BGB umfassend Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse erteilen – hierzu zählen auch Sparguthaben.
Berücksichtigung bei Bedürftigkeit
Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nur gegeben, wenn eine tatsächliche Bedürftigkeit besteht. Liegt diese nicht vor, weil ausreichendes Vermögen zur Verfügung steht, kann der Unterhaltsanspruch entfallen. Insofern können Ersparnisse – selbst wenn sie während der Ehe angesammelt wurden – entscheidend sein.
Wechselmodell Unterhalt Wohnvorteil rechtlich erklärt 👆Unterhalt trotz Erwerbsunfähigkeit
Im vorliegenden Fall bezieht die Ex-Frau Erwerbsminderungsrente und hat nach Aussagen des Ex-Mannes keine Anstrengungen unternommen, wieder erwerbsfähig zu werden.
Erwerbsobliegenheit und Zumutbarkeit
Grundsätzlich gilt: Wer unterhaltsberechtigt ist, muss sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühen, wenn dies gesundheitlich zumutbar ist (§ 1574 BGB). Wird diese Pflicht verletzt, kann ein fiktives Einkommen angerechnet werden – das mindert oder verhindert den Unterhaltsanspruch.
EM-Rente als Einkommensquelle
Bezieht die unterhaltsberechtigte Person bereits Erwerbsminderungsrente, ist dies als Einkommen zu werten. In Kombination mit möglichen zusätzlichen Leistungen wie Wohngeld kann die Bedürftigkeit entfallen. Das Unterhaltsrecht strebt keinen Ausgleich im Sinne absoluter Gleichstellung an – entscheidend ist, ob dem Bedürftigen ein angemessener Lebensunterhalt ohne Unterstützung möglich ist.
Aufenthaltsbestimmungsrecht und Wohnungszuweisung klären 👆Streit über nachehelichen Unterhalt
Die Konstellation, in der ein Ex-Ehegatte Unterhalt verlangt, obwohl die wirtschaftlichen Verhältnisse des anderen angespannt sind, führt regelmäßig zu Konflikten.
Einkommen beider Seiten prüfen
Die Unterhaltsverpflichtung richtet sich nicht nur nach dem Bedarf des Empfängers, sondern auch nach der Leistungsfähigkeit des Zahlers (§ 1581 BGB). Wenn der Unterhaltspflichtige nachweist, dass er selbst kaum mehr als der Berechtigte zur Verfügung hat, kann dies zu einer Herabsetzung oder Versagung des Unterhalts führen.
Gleichstellung ist kein Ziel
Das deutsche Unterhaltsrecht verlangt nicht, dass beide Ex-Partner nach der Scheidung exakt gleich viel Einkommen haben. Es geht um Bedarfsdeckung – nicht um Gerechtigkeit im Sinne eines wirtschaftlichen Gleichstands. Auch wenn der Eindruck entsteht, die Gegenseite hätte „mehr“, kann der Anspruch auf Unterhalt juristisch trotzdem bestehen.
Unterhaltsverpflichtungen nach Scheidung verstehen 👆Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen
Zum besseren Überblick hier die wichtigsten Regelungen, die in diesem Kontext regelmäßig zur Anwendung kommen:
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§ 1577 Abs. 3 BGB: Berücksichtigung von Vermögen bei Unterhalt
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§ 1574 BGB: Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsberechtigten
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§ 1605 BGB: Auskunftspflicht über Einkommen und Vermögen
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§ 1581 BGB: Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen
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§ 6 VersAusglG: Ausschluss des Versorgungsausgleichs durch Vereinbarung
Fazit
Die Kombination aus Scheidung, Direktversicherung und Unterhalt birgt viel juristischen Sprengstoff – vor allem dann, wenn der Versorgungsausgleich ausgeschlossen wurde und die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Ex-Partner unterschiedlich erscheinen. Entscheidend ist stets die individuelle Bedürftigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten sowie die Leistungsfähigkeit der zahlenden Seite. Eine während der Ehezeit ausgezahlte Direktversicherung kann je nach Verwendung und Zeitpunkt als Einkommen oder Vermögen berücksichtigt werden. Ebenso spielen Ersparnisse der Ex-Partnerin eine zentrale Rolle, wenn sie zur Deckung des Lebensunterhalts geeignet sind. Wer also in einer ähnlichen Situation steckt, sollte die Rechtslage mit anwaltlicher Hilfe sorgfältig prüfen lassen – insbesondere bevor überhöhte Unterhaltsforderungen widerspruchslos hingenommen werden.
Unterhalt trotz Verzichtserklärung möglich? 👆FAQ
Muss eine Direktversicherung beim nachehelichen Unterhalt berücksichtigt werden?
Ja, wenn sie während der Ehe ausgezahlt wurde und nicht verbraucht ist, kann sie als verwertbares Vermögen gelten. Das ist insbesondere relevant, wenn dadurch die Bedürftigkeit entfällt oder eingeschränkt ist.
Hat ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich Einfluss auf den Zugewinnausgleich?
Nein, der Verzicht auf den Versorgungsausgleich (§ 6 VersAusglG) hat keine unmittelbare Auswirkung auf den Zugewinnausgleich. Dieser muss separat beantragt und verhandelt werden.
Spielt das Vermögen der Ex-Frau beim nachehelichen Unterhalt eine Rolle?
Ja, sofern sie über verwertbares Vermögen verfügt – etwa Ersparnisse – muss dies zur Deckung ihres eigenen Lebensunterhalts eingesetzt werden (§ 1577 Abs. 3 BGB). Dadurch kann der Anspruch auf Unterhalt entfallen oder reduziert werden.
Was bedeutet es, wenn nur die Scheidung als Verfahrensgegenstand angegeben war?
Dann wurden weder Unterhalt noch Zugewinn oder andere vermögensrechtliche Fragen im Verfahren geregelt. Diese Ansprüche können aber auch nach der Scheidung noch geltend gemacht werden.
Kann ein fiktives Einkommen bei Erwerbsunfähigkeit angerechnet werden?
Nur dann, wenn dem unterhaltsberechtigten Ehegatten eine Tätigkeit zumutbar wäre und er sich bewusst verweigert (§ 1574 BGB). Bei nachgewiesener Erwerbsminderung ist dies eher unwahrscheinlich.
Muss die unterhaltsberechtigte Person ihr Vermögen offenlegen?
Ja, gemäß § 1605 BGB besteht eine umfassende Auskunftspflicht über Einkünfte und Vermögensverhältnisse. Das ist für die Prüfung der Bedürftigkeit unabdingbar.
Ist es rechtlich zulässig, den Rechtsmittelverzicht nur einseitig zu erklären?
Ja, jede Partei kann individuell auf Rechtsmittel verzichten. Wird dies nur von einer Seite getan, bleibt das Urteil bis zum Ablauf der Frist nicht rechtskräftig.
Wird bei der Unterhaltsberechnung ein Gleichstand der Einkommen angestrebt?
Nein, das deutsche Unterhaltsrecht zielt nicht auf Einkommensgleichheit, sondern auf Bedarfsdeckung. Nur wer bedürftig ist, hat Anspruch – unabhängig davon, ob der andere mehr verdient.
Kann ich den Zugewinnausgleich nachträglich geltend machen?
Ja, Ansprüche auf Zugewinnausgleich verjähren in der Regel erst drei Jahre nach Rechtskraft der Scheidung (§ 1378 BGB). Voraussetzung ist, dass der Anspruch bisher nicht ausgeschlossen oder gerichtlich geregelt wurde.
Was tun, wenn ich den Eindruck habe, dass der Unterhalt unberechtigt gefordert wird?
In solchen Fällen sollten Sie anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen. Es kann sich lohnen, die Bedürftigkeit und Vermögenslage der Gegenseite konkret prüfen zu lassen – auch um unberechtigte Forderungen erfolgreich abzuwehren.
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