Eine Mutter beantragt das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht im Sorgerechtsstreit SM, weil der Vater SM-Vorlieben auslebt, Drohungen ausspricht und Kinder nachts Pornos ausgesetzt sind. Ist das ausreichend für den Ausschluss des Wechselmodells?
Aufenthaltsbestimmungsrecht bei Trennung
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht umfasst die Entscheidung, wo das Kind hauptsächlich lebt. Im Streitfall kann ein Elternteil beim Familiengericht gemäß § 1671 Abs. 1 BGB die Übertragung dieses Rechts auf sich allein beantragen. Voraussetzung: Eine Einigung ist nicht möglich und das Kindeswohl wäre gefährdet, wenn beide Eltern gleichberechtigt bestimmen würden. Gerade bei sehr kleinen Kindern – wie hier im Alter von 1, 3 und 4 Jahren – spricht oft die Bindung zur hauptsächlichen Betreuungsperson für den Verbleib bei einem Elternteil.
Bedeutung der Hauptbezugsperson
Die Gerichte legen viel Wert darauf, wer die bisherige Hauptbezugsperson war. Wenn ein Elternteil seit Jahren die Kinder überwiegen betreut und der andere eher abwesend war, dann spricht das für eine Kontinuität beim Aufenthaltsort. In dem Fall, dass die Mutter fast ausschließlich für die Kinder da war, stärkt das ihre Position. Das Argument greift besonders stark bei Kleinkindern.
Ausschluss des Wechselmodells
Das sogenannte Wechselmodell, bei dem das Kind zu gleichen Teilen bei beiden Eltern lebt, ist nur sinnvoll, wenn die Eltern kooperationsfähig sind. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 01.04.2008 – 1 BvR 1620/04) betont, dass ein solches Modell nur infrage kommt, wenn Eltern in der Lage sind, miteinander zu kommunizieren und Absprachen zu treffen. Bei dokumentierten heftigen Streitigkeiten, psychischer Belastung und fehlender Kommunikation ist das Modell ungeeignet – schon allein im Sinne des Kindeswohls.
Ummeldung Kind gemeinsames Sorgerecht rechtlich erklärt 👆Vorwürfe und Beweisprobleme
Die Mutter berichtet von heimlichen Tonaufnahmen, Gewaltfantasien, SM-Praktiken und kindeswohlgefährdendem Verhalten des Vaters. Doch wie beweisbar sind diese Elemente vor Gericht?
Zulässigkeit von Audioaufnahmen
Gemäß § 201 StGB ist das heimliche Mitschneiden von Gesprächen ohne Einwilligung strafbar. Solche Aufnahmen sind in familiengerichtlichen Verfahren in der Regel nicht verwertbar, weil sie gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstoßen. Auch dann nicht, wenn sie objektiv belastend sind. Der Versuch, sie dennoch einzubringen, kann sich sogar negativ auf die Glaubwürdigkeit der Mutter auswirken.
Gewalt oder einvernehmliches Spiel?
Die Mutter berichtet von „Sacktritten“ und körperlichen Übergriffen, die der Vater angeblich selbst provoziert hat. Falls dies Teil eines einvernehmlichen Spiels im Rahmen sexueller Vorlieben war, könnte es schwer sein, diese Szenen im Nachhinein als Gewalt zu werten. Entscheidend ist hier der Kontext und ob das Kind Zeuge oder Opfer war. Das Jugendamt wird hier sehr genau hinsehen, denn Kindeswohlgefährdung liegt auch bei rein psychischer Belastung vor.
Gütertrennung Abfindung Unterhalt: Was gilt? 👆Drohungen und Beamtenstatus
Der Vater soll der Mutter gedroht haben, ihre Verbeamtung zu gefährden. Was ist dran – und kann man sich dagegen wehren?
Verlust des Beamtenstatus
Laut Beamtenrecht kann ein Beamter nur dann entlassen werden, wenn eine schwerwiegende Straftat begangen wurde, die mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet wird (§ 24 BeamtStG). Die Sorge, der Beamtenstatus stehe wegen emotionaler Ausraster auf dem Spiel, ist daher unbegründet – es sei denn, es liegt eine tatsächliche rechtskräftige Verurteilung vor. Das ist in solchen Familiensituationen äußerst selten.
Strafrechtliche Relevanz der Drohungen
Drohungen wie „Ich zerstöre Deine Karriere“ oder „Ich habe Aufnahmen gegen Dich“ könnten als versuchte Nötigung (§ 240 StGB) gewertet werden – insbesondere, wenn sie darauf abzielen, den anderen Elternteil unter Druck zu setzen. Das sollte in jedem Fall mit dem Anwalt besprochen werden. Solche Aussagen belegen häufig auch ein manipulierendes Verhalten des drohenden Elternteils – was wiederum bei der Einschätzung der Erziehungsfähigkeit berücksichtigt werden kann.
Unterhalt Selbstständige Scheidung: Realeinkommen zählt! 👆Rolle des Jugendamts und Familiengerichts
In familiengerichtlichen Verfahren kommt dem Jugendamt eine wichtige Rolle zu. Es fertigt Stellungnahmen an und begleitet Gespräche zwischen den Eltern.
Was zählt beim Jugendamt?
Das Jugendamt prüft insbesondere, ob das Kind in einem stabilen, gewaltfreien und förderlichen Umfeld aufwächst. Einzelne Ausbrüche, wie lautes Schreien oder emotionale Überlastung, werden nicht automatisch als Erziehungsunfähigkeit gewertet – besonders wenn sie aus nachvollziehbaren Belastungssituationen stammen. Entscheidend ist das Gesamtbild: Gibt es Strukturen, Stabilität und Einsichtsfähigkeit?
Familiengerichtliche Bewertung
Das Familiengericht entscheidet auf Grundlage des Kindeswohls. Emotionale Eskalationen, die durch massive Provokation ausgelöst wurden, können im Gesamtkontext anders bewertet werden als systematische Vernachlässigung oder Gewalt. Auch sexuelle Vorlieben der Eltern sind nicht entscheidend – solange sie nicht ins Familienleben hineinwirken oder das Kind belasten. Wer aber nachts im Beisein der Kinder Pornos schaut, bewegt sich gefährlich nah an einer Kindeswohlgefährdung (§ 1666 BGB).
Umgangsrecht Jugendamt ändern – Was darf das Amt? 👆Strategien für die Antragstellerin
Wie kann sich die Mutter am besten positionieren, um nicht nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu behalten, sondern auch den Kontakt zum Vater in kindeswohlgerechten Bahnen zu halten?
Klare Trennung von Themen
Emotionale Verletzungen, sexuelle Differenzen und persönliche Kränkungen gehören nicht in den Gerichtssaal – zumindest nicht, wenn sie keinen Bezug zum Kind haben. Ratsam ist, sich auf objektiv überprüfbare Faktoren zu konzentrieren: Wer betreut das Kind? Wie sind die Lebensverhältnisse? Gibt es belastbare Aussagen von Dritten? Wer kooperiert mit Institutionen?
Kontinuität und Bindung
Eine starke Argumentationslinie ergibt sich aus der Kontinuität des Lebensumfeldes und der emotionalen Bindung der Kinder zur Mutter. Gerade bei Kindern unter drei Jahren hat das Bundesgerichtshof mehrfach betont, dass der Hauptbezugsperson eine besondere Rolle zukommt (vgl. BGH XII ZB 601/15).
Umgang nicht verweigern, aber gestalten
Ein völliger Ausschluss des Vaters ist nur bei nachgewiesener Kindeswohlgefährdung möglich. Sinnvoller kann es sein, einen begleiteten Umgang oder bestimmte Zeiten festzulegen – und so auch die Kooperationsfähigkeit zu demonstrieren. Das wirkt oft besser als ein reines Verweigerungsverhalten.