Überobligatorisches Einkommen Unterhalt prüfen

Eine neue Nebentätigkeit kann schnell zur rechtlichen Stolperfalle werden – besonders wenn es um den Kindesunterhalt geht. Wer bereits „mehr als genug“ zahlt, fragt sich: Muss das überobligatorische Einkommen angerechnet werden? Die Antwort ist nicht pauschal, aber gerade deshalb wichtig.

Ausgangssituation mit konkretem Beispiel

Ein unterhaltspflichtiger Vater, der in der Industrie arbeitet, verdient ein sechsstelliges Einkommen und zahlt regelmäßig Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle. Das Kind lebt bei der Mutter, die mittlerweile wieder verheiratet ist. Nun steht die Frage im Raum, ob zusätzliche Einkünfte aus einer freiberuflichen Nebentätigkeit – konkret durch projektbezogene Beratung – ebenfalls beim Unterhalt berücksichtigt werden müssen. Die Tätigkeit soll in der Freizeit ausgeübt werden und hat keine Auswirkungen auf den Hauptberuf. Die Höhe dieser Einnahmen variiert zwischen 5 % und 30 % zusätzlich zum regulären Nettoeinkommen. Es stellt sich die zentrale Frage: Ist dieses Einkommen „überobligatorisch“ und damit unterhaltsrelevant?

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Was bedeutet überobligatorisches Einkommen?

Der Begriff „überobligatorisch“ beschreibt Einkommen, das über die normale berufliche Verpflichtung hinausgeht. Es handelt sich meist um Nebeneinkünfte, die durch Tätigkeiten außerhalb des regulären Berufs entstehen. Typische Beispiele sind Wochenendjobs, freiberufliche Projekte oder Einkünfte aus Vermietung. Diese Einkünfte sind grundsätzlich nicht immer automatisch unterhaltsrelevant – ihre Bewertung hängt vom Einzelfall ab.

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Rechtliche Grundlagen und BGH-Urteil

Eine wichtige Orientierung gibt der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10.07.2013 – XII ZB 297/12. Danach entscheidet das Gericht im Einzelfall darüber, ob und in welchem Umfang überobligatorisches Einkommen beim Unterhalt angerechnet wird. Insbesondere beim Kindesunterhalt ist die Schwelle für eine Anrechnung niedriger, weil das Wohl des Kindes einen höheren Stellenwert hat als bei Ehegatten- oder Verwandtenunterhalt.

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Wann wird das Einkommen angerechnet?

Die Gerichte stellen auf verschiedene Kriterien ab, etwa:

Regelmäßigkeit der Nebentätigkeit

Je regelmäßiger das Einkommen, desto eher wird es berücksichtigt. Wer etwa jeden Monat ein Projekt übernimmt, dessen Honorare fest einplanbar sind, kann sich nur schwer auf Unverbindlichkeit berufen.

Belastung durch die Nebentätigkeit

Wenn die Tätigkeit nicht zu Lasten der eigenen Gesundheit oder der Arbeitsfähigkeit geht, wird die freiwillige Natur infrage gestellt. Verdient jemand in seiner Freizeit regelmäßig dazu, kann dies als zumutbar angesehen werden – und somit auch als unterhaltsrelevant.

Gesamthöhe der Einkünfte

Kleinere Nebeneinkünfte bleiben oft unberücksichtigt. Ab einer gewissen Höhe – etwa wenn sich das Nettoeinkommen dadurch um 20 % oder mehr steigert – prüfen Gerichte genauer, ob der zusätzliche Betrag dem Unterhaltspflichtigen wirklich zur Verfügung steht oder z. B. zur Rücklagebildung gedacht ist.

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Beispielrechnung zur Einordnung

Angenommen, das Nettoeinkommen beträgt 6.000 € monatlich. Durch die Beratungstätigkeit kommen monatlich im Schnitt 1.000 € hinzu. Das ist eine Steigerung um rund 16 %. Würde das Gericht dieses Einkommen berücksichtigen, könnte sich der Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle erhöhen, etwa durch einen Wechsel in eine höhere Einkommensgruppe.

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Freiwilligkeit versus Zumutbarkeit

Hier wird es oft knifflig. Der Unterhaltspflichtige könnte argumentieren, dass er die zusätzliche Arbeit freiwillig und nur gelegentlich übernimmt. Das Gericht prüft aber, ob diese Tätigkeit langfristig und regelmäßig erfolgt – und ob sie „zumutbar“ ist. Ist dies der Fall, wird das Einkommen – auch wenn es überobligatorisch ist – in die Unterhaltsberechnung einbezogen.

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Kinderunterhalt besonders geschützt

Das Bundesverfassungsgericht und der BGH betonen immer wieder, dass beim Kindesunterhalt besondere Maßstäbe gelten. Die sogenannte gesteigerte Erwerbsobliegenheit (§ 1603 Abs. 2 BGB) besagt, dass der Unterhaltspflichtige alles wirtschaftlich Zumutbare unternehmen muss, um den Mindestunterhalt sicherzustellen. Wenn er das schon tut, ist die Pflicht nicht automatisch erfüllt – zusätzliche Einkünfte können trotzdem relevant sein, wenn sie das Kindeswohl fördern.

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Vergleich mit Ehegattenunterhalt

Beim Ehegattenunterhalt ist die Anrechnung von überobligatorischem Einkommen seltener. Hier steht die Zumutbarkeit und der Schutz der neuen Lebensumstände im Vordergrund. Anders gesagt: Wer sich in einer neuen Beziehung befindet oder bereits wiederverheiratet ist, muss weniger befürchten, dass zusätzliche Einkommen sofort voll angerechnet werden.

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Bedeutung der individuellen Vereinbarung

Oft regeln die Beteiligten den Unterhalt außergerichtlich. Hier kann einvernehmlich festgelegt werden, ob Nebeneinkünfte berücksichtigt werden oder nicht. Wichtig: Solche Absprachen sollten immer schriftlich erfolgen – am besten mit anwaltlicher Beratung – um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

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Was tun bei Meinungsverschiedenheiten?

Kommt es zu unterschiedlichen Auffassungen, ist der Weg zum Familiengericht offen. Dort wird im Rahmen einer sogenannten Billigkeitsentscheidung der individuelle Fall geprüft. Die Prozesskosten und die emotionale Belastung sind jedoch nicht zu unterschätzen. Deshalb empfiehlt sich stets der Versuch einer außergerichtlichen Einigung – beispielsweise über eine Mediation.

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Fazit

Ob ein zusätzliches Einkommen als überobligatorisch gilt und beim Kindesunterhalt angerechnet wird, hängt stark vom Einzelfall ab. Es gibt keine starren Regeln, sondern eine Vielzahl an Faktoren, die eine Rolle spielen – von der Zumutbarkeit der Tätigkeit bis zur Regelmäßigkeit der Einkünfte. Gerade beim Kindesunterhalt, wo eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit besteht, wird überobligatorisches Einkommen schneller als relevant eingestuft. Wer hier nicht frühzeitig Klarheit schafft, riskiert teure und belastende Gerichtsverfahren. Deshalb lohnt es sich, rechtzeitig mit der Gegenseite zu kommunizieren und gegebenenfalls rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Nur so lässt sich der rechtliche Spielraum rund um das überobligatorische Einkommen sinnvoll nutzen und unnötiger Streit vermeiden.

FAQ

Muss ich überobligatorisches Einkommen immer angeben?

Nicht zwingend, aber wenn der andere Elternteil Auskunft verlangt oder eine Neuberechnung anstrebt, müssen auch Nebeneinkünfte offengelegt werden. Vor allem beim Kindesunterhalt wird überobligatorisches Einkommen häufiger einbezogen.

Was zählt alles als überobligatorisches Einkommen?

Typischerweise zählt dazu alles, was über die reguläre Berufstätigkeit hinausgeht – etwa Zweitjobs, freiberufliche Tätigkeiten in der Freizeit oder Einnahmen aus Vermietung. Die rechtliche Bewertung erfolgt jedoch stets einzelfallbezogen.

Kann ich mich darauf berufen, dass ich die Nebentätigkeit freiwillig mache?

Teilweise. Die Freiwilligkeit spielt eine Rolle, aber wenn das Einkommen regelmäßig und zumutbar erwirtschaftet wird, kann es dennoch unterhaltsrelevant sein. Die Gerichte prüfen genau, ob das „nur freiwillig“ wirklich standhält.

Wird auch gelegentliches Zusatzeinkommen berücksichtigt?

Wenn es sich wirklich um einmalige oder unregelmäßige Projekte handelt, kann das außer Betracht bleiben. Ab einem gewissen Umfang oder bei Wiederholungen kann das Gericht jedoch auch dies in die Berechnung aufnehmen.

Gibt es eine feste Grenze für das überobligatorische Einkommen?

Nein. Es gibt keine prozentuale oder absolute Grenze im Gesetz. Dennoch wird ab etwa 10–20 % zusätzlichem Nettoeinkommen genauer hingeschaut. Letztlich ist immer entscheidend, ob das Einkommen zumutbar erzielt wird.

Hat das neue Einkommen Einfluss auf die Einkommensgruppe in der Düsseldorfer Tabelle?

Ja, das ist möglich. Wenn das zusätzliche Einkommen zu einem Jahresbrutto führt, das über die nächste Stufe hinausgeht, kann eine Höherstufung erfolgen – mit spürbaren Folgen für den zu zahlenden Unterhalt.

Wie kann ich mich gegen die Anrechnung von Nebeneinkommen wehren?

Sie können darlegen, dass die Tätigkeit unzumutbar ist oder Ihre Leistungsfähigkeit nicht erhöht. Wichtig ist, dass Sie alles gut dokumentieren – zum Beispiel den zeitlichen Aufwand und die Einnahmeschwankungen.

Spielt es eine Rolle, ob der andere Elternteil wieder verheiratet ist?

Beim Kindesunterhalt eher nicht, da dieser unabhängig vom Lebensstand des betreuenden Elternteils geschuldet wird. Die Bedürftigkeit des Kindes bleibt bestehen, solange es unterhaltsberechtigt ist.

Wird das überobligatorische Einkommen auch bei Ehegattenunterhalt berücksichtigt?

In der Regel seltener. Bei Ehegattenunterhalt wird die Grenze für die Zumutbarkeit enger gezogen. Dort schützt das Gericht die Eigenverantwortung und neue Lebensumstände stärker als beim Kindesunterhalt.

Sollte ich vor Aufnahme einer Nebentätigkeit rechtlichen Rat einholen?

Unbedingt empfehlenswert. Gerade wer ohnehin schon viel Unterhalt zahlt, sollte prüfen lassen, ob sich der Mehraufwand lohnt – sowohl finanziell als auch rechtlich. Ein Beratungsgespräch kann hier vor späterem Ärger schützen.

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