Unterhalt Ü18: Wann Eltern noch zahlen müssen

Ein volljähriges Kind ohne Ausbildungsplatz – wer zahlt dann noch Unterhalt? Diese Frage beschäftigt viele Eltern nach dem Abitur ihrer Kinder. Beim Thema Unterhalt Ü18 wird es juristisch schnell komplex, denn mit dem Erreichen der Volljährigkeit ändern sich nicht nur die Regeln, sondern auch die Erwartungen – auf beiden Seiten.

Abitur beendet, aber kein Ausbildungsplatz

Nach dem bestandenen Abitur steht ein Kind oft vor einer Entscheidung: Studium, Ausbildung oder doch erst einmal eine Pause? Im hier geschilderten Fall lebt das 19-jährige Kind noch bei der Mutter und hat noch keinen Ausbildungsplatz gefunden. Es ist aktiv auf der Suche, möchte aber gegebenenfalls bis zum nächsten Ausbildungsjahr mit einem Teilzeitjob überbrücken. Der Vater hingegen sieht das anders – er möchte nur dann weiterhin zahlen, wenn das Kind eine Ausbildung in einem großen Unternehmen annimmt oder alternativ einen Bundesfreiwilligendienst leistet. Andernfalls will er den Unterhalt komplett streichen.

Diese familiäre Konstellation zeigt beispielhaft, wie unterschiedlich die Vorstellungen innerhalb einer Familie sein können – und wie dringend rechtliche Klarheit notwendig ist. Dabei stellt sich die zentrale Frage: Wie weit darf der Vater die Bedingungen für den Unterhalt Ü18 diktieren – und welche gesetzlichen Grundlagen gelten tatsächlich?

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Rechtlicher Rahmen beim Unterhalt Ü18

Volljährige Kinder unterliegen beim Unterhalt nicht mehr denselben Regeln wie Minderjährige. Die rechtliche Bewertung hängt stark vom Ausbildungsstatus und der Eigenverantwortung des Kindes ab.

Grundsatz der Ausbildungsunterhaltspflicht

Nach § 1610 Abs. 2 BGB sind Eltern grundsätzlich verpflichtet, ihrem Kind eine angemessene Ausbildung zu finanzieren. Solange sich das Kind in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung befindet, besteht damit weiterhin ein Anspruch auf Unterhalt. Doch sobald diese Ausbildung nicht aufgenommen oder ohne plausiblen Grund verzögert wird, entfällt die Zahlungspflicht der Eltern. Eine bloße Übergangszeit von wenigen Monaten – etwa vom Abitur bis zum Ausbildungsbeginn im Herbst – wird in der Regel noch als unterhaltsrechtlich relevant anerkannt (vgl. BGH, Urteil vom 29.06.2011 – XII ZR 127/09).

Bewerbungsphase und Wartezeit

Wird ein Ausbildungsplatz aktiv gesucht, gilt dies in den meisten Fällen als ausreichender Grund für eine Übergangsunterstützung. Entscheidend ist dabei, dass die Bemühungen nachweisbar und ernsthaft sind. Bewerbungen sollten dokumentiert werden, ebenso wie etwaige Absagen. Bei erfolgreicher Vermittlung mit Ausbildungsbeginn innerhalb eines überschaubaren Zeitraums – typischerweise drei bis sechs Monate – bleibt die Unterhaltspflicht grundsätzlich bestehen.

Wird jedoch klar, dass das Kind auf unbestimmte Zeit keinen Ausbildungsweg einschlägt, kann die Zahlungspflicht beendet werden.

Teilzeit- oder Minijob statt Ausbildung

Sobald ein volljähriges Kind sich entscheidet, eine Ausbildung auf unbestimmte Zeit aufzuschieben und stattdessen zu arbeiten, geht die Unterhaltsverpflichtung der Eltern in der Regel verloren. Dabei spielt es keine Rolle, wie hoch das Einkommen des Kindes ist. Das Familienrecht kennt hier keine Mischformen: Entweder besteht eine Ausbildung und damit ein Unterhaltsanspruch – oder eben nicht.

Genau das bestätigt auch § 1610 BGB in Verbindung mit ständiger Rechtsprechung, etwa OLG Hamm, Beschluss vom 13.09.2018 – 2 WF 161/18.

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Einflussnahme der Eltern auf Berufswahl

Ein häufiges Missverständnis ist die Annahme, dass Eltern mit der Unterhaltszahlung auch Einfluss auf die Art der Ausbildung nehmen können. Zwar können Empfehlungen oder Bitten geäußert werden – eine Verpflichtung zur Umsetzung besteht jedoch nicht.

Kein Weisungsrecht der Eltern

Ein volljähriges Kind hat grundsätzlich das Recht auf freie Berufswahl. Dies ergibt sich direkt aus Art. 12 GG (Grundgesetz). Eltern können daher keine konkreten Ausbildungsbetriebe oder -richtungen vorschreiben. Auch die Forderung, ausschließlich in einem Großunternehmen eine Lehre zu beginnen, ist rechtlich nicht durchsetzbar.

Wird eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf begonnen – unabhängig von Größe oder Bekanntheit des Betriebs – gilt die Unterhaltspflicht der Eltern als erfüllt.

Bundesfreiwilligendienst als Alternative?

Ob während eines Bundesfreiwilligendienstes Unterhalt gezahlt werden muss, ist juristisch nicht einheitlich geregelt. Einige Gerichte erkennen einen solchen Dienst als unterhaltsrelevante Übergangszeit an – andere lehnen dies ab. Das liegt daran, dass der Freiwilligendienst grundsätzlich keinen berufsausbildenden Charakter hat. Eine gesicherte höchstrichterliche Klärung durch den BGH steht bislang noch aus, jedoch tendieren neuere Entscheidungen (z. B. OLG Hamm, Beschluss vom 13.03.2019 – 2 UF 221/18) zur Anerkennung im Einzelfall.

Wichtig ist: Ein Elternteil darf die Zahlung nicht einfach einstellen, nur weil das Kind den Freiwilligendienst ablehnt. Eine pauschale Verknüpfung mit dem Unterhalt wäre rechtlich unzulässig.

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Eigenverantwortung des Kindes

Volljährigkeit bedeutet nicht nur neue Rechte, sondern auch neue Pflichten. Dazu gehört insbesondere, die eigene Zukunft aktiv zu gestalten.

Zumutbarkeit von Nebenjobs

In der Übergangszeit zwischen Schule und Ausbildung kann vom Kind grundsätzlich erwartet werden, dass es sich um einen Nebenverdienst bemüht – allerdings nur in begrenztem Rahmen. Ein Minijob oder Teilzeitjob kann als Zeichen von Eigenverantwortung gewertet werden, verändert aber nicht zwangsläufig die unterhaltsrechtliche Bewertung.

Nur wenn keine Ausbildung angestrebt wird und stattdessen dauerhaft gearbeitet wird, entfällt der Anspruch. Eine Verpflichtung, zwingend einen Job aufzunehmen, um den Eltern „finanzielle Entlastung“ zu verschaffen, gibt es nicht.

Gemeinsame Verantwortung der Eltern

Ein weiterer häufig übersehener Punkt: Beim Unterhalt Ü18 haften beide Elternteile anteilig nach ihrem Einkommen – nicht nur der bisher zahlende Vater. Das Kind muss seinen Unterhaltsbedarf grundsätzlich gegenüber beiden Elternteilen geltend machen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB).

Zudem kann auch eine etwaige eigene Bedürftigkeit der Eltern berücksichtigt werden, etwa bei Arbeitslosigkeit oder geringem Einkommen. In solchen Fällen reduziert sich die Pflicht entsprechend.

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Ausbildungsbeginn im Folgejahr – was nun?

Was passiert, wenn das Kind erst im kommenden Jahr mit der Ausbildung starten kann? Diese Frage ist nicht nur juristisch, sondern auch emotional heikel.

Verlängerung der Unterhaltspflicht möglich?

Wird ein konkreter Ausbildungsplatz nachgewiesen, der im darauffolgenden Jahr beginnt, kann der Unterhalt aufrechterhalten bleiben – vorausgesetzt, die Wartezeit bis dahin wird sinnvoll überbrückt, etwa durch Aushilfstätigkeiten oder Praktika. Ohne konkrete Perspektive entfällt jedoch regelmäßig die Verpflichtung zur Zahlung.

Kommunikation als Schlüssel

Oft entstehen Konflikte nicht wegen der Zahlung an sich, sondern wegen mangelnder Abstimmung. Eine offene, dokumentierte Kommunikation zwischen Kind und Elternteil kann helfen, Missverständnisse zu vermeiden und Eskalationen – wie eine vorschnelle Streichung des Unterhalts – zu verhindern. Ein schriftlicher Nachweis über Bewerbungen, Absagen oder alternative Pläne ist daher ratsam.

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Fazit

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Unterhalt Ü18 sind klar, aber dennoch nicht immer leicht verständlich. Grundsätzlich besteht die Unterhaltspflicht der Eltern nur, wenn sich das volljährige Kind in einer Ausbildung befindet oder konkret auf eine solche hinarbeitet. Eine aktive Bewerbungsphase mit realistischer Perspektive wird dabei in vielen Fällen noch berücksichtigt. Sobald jedoch keine Ausbildung begonnen wird und auch keine ernsthafte Planung erkennbar ist, entfällt die Pflicht zur Zahlung – unabhängig davon, ob das Kind einen Minijob oder Teilzeitjob ausübt.

Eltern können die Berufswahl des volljährigen Kindes nicht beeinflussen, indem sie den Unterhalt an Bedingungen wie bestimmte Betriebe oder Dienste knüpfen. Solche Maßnahmen sind rechtlich nicht zulässig. Vielmehr ist gegenseitige Rücksichtnahme gefragt – auf Seiten der Eltern ebenso wie auf Seiten des Kindes. Klare Kommunikation und Nachweise über Bewerbungen oder geplante Ausbildungsschritte helfen dabei, unnötige Konflikte zu vermeiden. Wer beim Thema Unterhalt Ü18 rechtlich sicher handeln will, sollte sich an den gesetzlichen Grundlagen orientieren und nicht an persönlichen Vorstellungen oder Druckmitteln.

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FAQ

Wann entfällt die Unterhaltspflicht bei volljährigen Kindern?

Die Unterhaltspflicht entfällt, wenn das volljährige Kind keine Ausbildung macht und auch keine ernsthafte Absicht zeigt, eine solche zu beginnen. Auch längere Wartezeiten ohne erkennbares Ziel führen zur Einstellung des Unterhalts.

Muss ein Minijob auf den Unterhalt angerechnet werden?

Nein. Hat das Kind keinen Ausbildungsstatus, entfällt der Unterhalt grundsätzlich vollständig. Der Minijob ist dann nicht mehr relevant für die Berechnung, da kein Anspruch mehr besteht.

Kann der Vater verlangen, wo das Kind eine Ausbildung macht?

Nein. Die Berufswahl liegt beim volljährigen Kind. Eltern dürfen keine Bedingungen an ihre Zahlungen knüpfen, solange die Ausbildung angemessen und anerkannt ist.

Zählt der Bundesfreiwilligendienst als Ausbildung im Sinne des Unterhaltsrechts?

In der Regel nicht. Der Bundesfreiwilligendienst hat keinen klassischen Ausbildungscharakter. Einige Gerichte erkennen ihn jedoch als Übergangszeit an, wenn er sinnvoll begründet ist.

Können Eltern verlangen, dass das Kind bis zur Ausbildung arbeiten geht?

Sie können es wünschen, aber nicht fordern. Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung für das Kind, in der Übergangszeit zu arbeiten, solange es sich ernsthaft um eine Ausbildung bemüht.

Muss der Vater alleine für den Unterhalt Ü18 aufkommen?

Nein. Ab Volljährigkeit sind beide Elternteile anteilig nach Einkommen unterhaltspflichtig. Das Kind muss seinen Anspruch gegenüber beiden geltend machen.

Was passiert, wenn ein Ausbildungsplatz erst im Folgejahr beginnt?

Wird der Platz nachgewiesen und die Zeit bis dahin sinnvoll überbrückt, kann der Unterhalt weiterlaufen. Ohne konkrete Perspektive entfällt die Pflicht.

Ist ein Teilzeitjob ein Ersatz für eine Ausbildung?

Nein. Ein Job ohne Ausbildungscharakter ersetzt keine Ausbildung im Sinne des Unterhaltsrechts und begründet daher keinen Anspruch auf Unterhalt.

Was passiert, wenn das Kind sich einfach nicht kümmert?

Dann entfällt die Unterhaltspflicht. Ein volljähriges Kind muss Initiative zeigen und Verantwortung für seine Zukunft übernehmen, sonst endet auch der finanzielle Anspruch.

Muss das Kind die Bewerbungen nachweisen?

Ja. Um die Unterhaltspflicht aufrechtzuerhalten, muss das Kind nachweisen, dass es sich aktiv und ernsthaft um eine Ausbildung bemüht. Bewerbungsunterlagen und Absagen dienen als Belege.

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