Verfahrenskostenhilfe prüfen lassen – geht das?

Verfahrenskostenhilfe prüfen – das klingt nach einem komplizierten Thema, betrifft aber viele Betroffene in familienrechtlichen Auseinandersetzungen. Wenn der Eindruck entsteht, dass die Gegenseite sich finanziell besser darstellt als sie ist, stellt sich schnell die Frage: Kann man den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe überhaupt kontrollieren lassen?

Streit um Kontaktverbot und Verfahrenskostenhilfe

In einem aktuellen Fall steht ein Vater vor einer belastenden Situation: Seine Ex-Partnerin beantragte über das Familiengericht ein umfassendes Kontaktverbot – zunächst auch gegenüber den gemeinsamen Kindern. Nur einen Tag später wurde der Beschluss geändert, sodass sich das Kontaktverbot nur noch auf sie selbst bezieht. Diese schnelle Kehrtwende war für den Vater unverständlich. Parallel dazu stellte sich heraus, dass die Mutter Verfahrenskostenhilfe (VKH) beantragt hatte – und zwar mit voller Bewilligung ohne Rückzahlungspflicht. Für den Vater, selbst mit ALG I in Höhe von 930 Euro monatlich, schien diese Entscheidung besonders ungerecht. Denn er selbst erhielt für sein Verfahren keine VKH. Doch kann man die Angaben im Antrag der Ex-Partnerin auf Verfahrenskostenhilfe überhaupt nachprüfen lassen?

Psychisch instabile Mutter Kinder – Vater kämpft um Sicherheit 👆

Voraussetzungen für Verfahrenskostenhilfe

Verfahrenskostenhilfe ist im deutschen Recht nach § 114 ZPO (Zivilprozessordnung) geregelt. Sie soll einkommensschwachen Personen ermöglichen, ihre Rechte gerichtlich durchzusetzen, ohne dass sie die Kosten für Anwalt und Gericht aus eigener Tasche zahlen müssen.

Bedürftigkeit als zentrale Voraussetzung

Die zentrale Voraussetzung für eine Bewilligung von VKH ist die finanzielle Bedürftigkeit. Dabei wird das Einkommen der antragstellenden Person geprüft – hierzu zählen nicht nur der Lohn, sondern auch andere Einnahmen wie Kindergeld, Unterhaltsvorschuss oder Nebeneinkünfte. Gleichzeitig werden sogenannte “zumutbare Belastungen” wie Miete, Versicherungen und Unterhaltsverpflichtungen vom Einkommen abgezogen. Daraus ergibt sich das sogenannte einzusetzende Einkommen.

Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung

Neben der Bedürftigkeit prüft das Gericht, ob die beabsichtigte Klage oder Verteidigung Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die beabsichtigte Rechtsverfolgung darf zudem nicht mutwillig sein – das heißt: Das Verfahren darf nicht offensichtlich aussichtslos oder überzogen erscheinen. Nur wenn diese rechtliche Einschätzung positiv ausfällt, kommt eine Bewilligung der VKH überhaupt in Frage.

Umgangsrecht verweigern bei Überforderung? 👆

Wie läuft das Prüfverfahren bei der VKH?

Die Prüfung erfolgt durch das zuständige Gericht. Hierbei ist es gängige Praxis, dass der Antrag auf VKH auch der Gegenseite zur Stellungnahme übermittelt wird.

Einsicht in den Antrag der Gegenseite

Der Antragsgegner (also z. B. der Vater in unserem Beispiel) erhält grundsätzlich Einsicht in den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe. Das Gericht übermittelt diesen zur Stellungnahme. In dieser Phase kann der Antragsgegner Einwände oder Zweifel an der Richtigkeit der Angaben äußern.

Zweifel an der Bedürftigkeit äußern

Wenn der Antragsgegner konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass die im Antrag angegebenen Ausgaben oder Einnahmen nicht der Wahrheit entsprechen – etwa weil bekannt ist, dass teure Urlaube gebucht wurden oder hohe Nebeneinkünfte bestehen – kann er diese Zweifel schriftlich äußern. Diese Stellungnahme sollte sachlich und mit möglichst konkreten Angaben versehen sein. Pauschale Vermutungen sind wenig hilfreich.

Abholung Zweitwohnsitz Kind: Was gilt rechtlich? 👆

Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es?

Wenn der Verdacht besteht, dass beim Antrag auf VKH falsche Angaben gemacht wurden, bestehen zwei wesentliche rechtliche Möglichkeiten.

Stellungnahme im VKH-Prüfungsverfahren

Wie bereits erwähnt, ist die effektivste und direkteste Methode, im Rahmen der Stellungnahme zum VKH-Antrag Bedenken zu äußern. Diese Möglichkeit besteht, sobald der Antrag dem Antragsgegner oder dessen Anwalt zur Prüfung vorgelegt wird. Hierbei können eigene Kenntnisse über tatsächliche Einkommensverhältnisse oder Hinweise auf verschleierte Vermögenswerte eingebracht werden.

Strafanzeige wegen Prozessbetrugs

Sollten sich handfeste Hinweise auf vorsätzlich falsche Angaben ergeben, kann auch eine Strafanzeige wegen Prozessbetrugs (§ 263 StGB) in Betracht gezogen werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass ein bloßes “Gefühl”, es sei etwas nicht korrekt, nicht ausreicht. Es braucht konkrete Indizien oder Belege. Die Anzeige kann bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft gestellt werden und leitet ein eigenständiges Ermittlungsverfahren ein.

Scheidungsfolgenvereinbarung Auto: Kostenfalle? 👆

Prüfung durch das Gericht nach § 118 ZPO

Nach § 118 Abs. 2 ZPO kann das Gericht bei Zweifeln an den Angaben im Antrag zusätzliche Belege oder Erklärungen anfordern. Wird dieser Aufforderung nicht nachgekommen oder ergeben sich Widersprüche, kann die VKH abgelehnt oder später widerrufen werden. Besonders kritisch ist das, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass absichtlich falsche Angaben gemacht wurden. In einem solchen Fall kann es sogar zur Rückforderung bereits bewilligter Kostenübernahmen kommen.

Bestattungskosten Kind Pflicht trotz Kontaktabbruch? 👆

Was tun, wenn die Gegenseite bereits VKH bewilligt bekommen hat?

Oft herrscht Verwirrung darüber, ob eine bereits bewilligte Verfahrenskostenhilfe noch überprüft werden kann. Tatsächlich ist das unter bestimmten Bedingungen möglich.

Antrag auf Aufhebung oder Änderung

Hat sich die finanzielle Lage der antragstellenden Person wesentlich verändert oder wurde nachweislich getäuscht, kann gemäß § 124 ZPO eine Aufhebung oder Änderung der Entscheidung über die VKH beantragt werden. Auch das Gericht kann von Amts wegen tätig werden, wenn neue Umstände bekannt werden.

Rückforderung durch das Gericht

Wird festgestellt, dass falsche Angaben gemacht wurden, kann das Gericht gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO die VKH aufheben und Rückzahlungen anordnen. In der Praxis kommt dies jedoch nur dann vor, wenn eindeutig nachgewiesen werden kann, dass absichtlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht wurden.

Sorgerecht uneheliches Kind: Was darf der Vater? 👆

Welche Nachweise sind für Einwände sinnvoll?

Wenn Zweifel an der Bedürftigkeit der Gegenseite bestehen, ist es hilfreich, konkrete Nachweise vorzulegen.

Indizien für verstecktes Vermögen

Rechnungen für Urlaubsreisen, teure Konsumgüter, Luxusausgaben oder Einkommensnachweise aus nicht angegebenen Nebenjobs können als Indizien dienen. Auch Informationen über Untervermietung, nicht gemeldete Einkommen oder Vermögensübertragungen sind relevant. Diese sollten jedoch nachvollziehbar und belegbar sein.

Schriftliche Stellungnahme über den Anwalt

Am wirksamsten ist es, die Bedenken in einer formellen Stellungnahme über den eigenen Anwalt beim Familiengericht einzureichen. Diese sollte strukturiert aufgebaut und mit allen bekannten Fakten und ggf. Nachweisen unterlegt sein.

Wohnungszuweisung Gericht Trennung: Was tun? 👆

Wenn man selbst keine VKH bekommt

In unserem Fall hat der Vater selbst keine Verfahrenskostenhilfe erhalten – trotz eines vergleichsweise geringen Einkommens aus ALG I. Warum? Auch das hängt vom einzusetzenden Einkommen, aber auch von den Erfolgsaussichten seines Antrags ab.

Erfolgsaussicht entscheidet mit

Selbst wenn die finanzielle Bedürftigkeit gegeben ist, wird die VKH nur bewilligt, wenn das Verfahren auch inhaltlich Aussicht auf Erfolg hat. Besteht diese Aussicht nicht, etwa weil keine ausreichenden Beweise für eine Bedrohung vorliegen oder das Verfahren rein aus Rachegründen angestrengt wird, kann das Gericht den Antrag ablehnen. Umgekehrt kann die Gegenseite auch mit höherem Einkommen VKH erhalten, wenn sie glaubhaft darlegen kann, dass sie finanziell belastet ist und die Erfolgsaussicht gegeben ist.

Arbeitslosigkeit und Unterhalt: Was jetzt gilt 👆

Zusammenfassung der Rechtslage

Verfahrenskostenhilfe ist ein wichtiges Instrument für den Zugang zum Recht – sie darf jedoch nicht missbraucht werden. Wer Zweifel an der Bedürftigkeit der Gegenseite hat, sollte diese sachlich äußern und dem Gericht mitteilen. Das Gericht hat sowohl rechtlich als auch faktisch die Mittel, unberechtigte Anträge abzuwehren – vorausgesetzt, die Zweifel sind nachvollziehbar begründet. Ein rechtlicher Beistand ist in diesen Fällen dringend zu empfehlen.

Kontaktverweigerung gleiche Wohnung: Was tun? 👆

Fazit

Die Möglichkeit, eine Verfahrenskostenhilfe prüfen zu lassen, ist ein essenzieller Bestandteil der rechtsstaatlichen Kontrolle im Zivilprozess. Wer das Gefühl hat, dass die Gegenseite ihre wirtschaftlichen Verhältnisse geschönt oder gar bewusst verschleiert hat, kann und sollte dies im Rahmen der gerichtlichen Stellungnahme klar äußern. Zwar liegt die Entscheidung letztlich beim Gericht, doch ein gut begründeter Hinweis kann eine erneute Prüfung oder sogar eine Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe bewirken. Wichtig ist dabei, sachlich zu bleiben, keine unbelegten Unterstellungen zu äußern und möglichst konkrete Anhaltspunkte zu liefern. Wer sich unsicher fühlt, sollte die Unterstützung eines erfahrenen Anwalts in Anspruch nehmen – gerade wenn es um Gerechtigkeit in einem ohnehin belastenden Familienkonflikt geht.

Schulden bei Heirat: Gefahr für Paare? 👆

FAQ

Kann man einen bewilligten Antrag auf Verfahrenskostenhilfe prüfen lassen?

Ja, eine bereits bewilligte Verfahrenskostenhilfe kann nachträglich geprüft werden – insbesondere dann, wenn sich herausstellt, dass falsche Angaben gemacht wurden oder sich die wirtschaftlichen Verhältnisse verändert haben.

Wer entscheidet über die Verfahrenskostenhilfe?

Das zuständige Familiengericht prüft sowohl die wirtschaftliche Lage als auch die Erfolgsaussichten des jeweiligen Verfahrens. Die Entscheidung erfolgt auf Grundlage von § 114 ZPO.

Wie erfahre ich, ob die Gegenseite Verfahrenskostenhilfe beantragt hat?

Der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe wird der Gegenseite im Normalfall zur Stellungnahme übermittelt. Spätestens dann kann man sich aktiv dazu äußern.

Was kann ich tun, wenn ich vermute, dass die Angaben im Antrag nicht stimmen?

In solchen Fällen können Sie dem Gericht eine schriftliche Stellungnahme zukommen lassen, in der Sie Ihre Bedenken konkret und nachvollziehbar darlegen. Das ist der einfachste Weg, die Verfahrenskostenhilfe prüfen zu lassen.

Gibt es rechtliche Konsequenzen bei falschen Angaben im VKH-Antrag?

Ja, wer absichtlich falsche Angaben macht, riskiert nicht nur die Rücknahme der Verfahrenskostenhilfe, sondern auch eine Strafanzeige wegen Prozessbetrugs nach § 263 StGB.

Was zählt als Einkommen bei der Berechnung der VKH?

Dazu gehören nicht nur Gehalt oder ALG, sondern auch Kindergeld, Unterhaltsvorschuss, Nebeneinkünfte und weitere regelmäßige Zahlungen. Gleichzeitig werden aber auch anerkannte Ausgaben abgezogen.

Warum bekomme ich keine Verfahrenskostenhilfe, obwohl ich ALG I beziehe?

Neben der finanziellen Bedürftigkeit spielt auch die Erfolgsaussicht des Verfahrens eine Rolle. Wenn das Gericht keine Erfolgschancen sieht, kann der Antrag abgelehnt werden – auch bei geringem Einkommen.

Kann ich die VKH der Gegenseite vollständig verhindern?

Nicht direkt. Aber Sie können mit fundierten Einwänden und Belegen Zweifel an der Bedürftigkeit oder am Wahrheitsgehalt der Angaben äußern, wodurch das Gericht eine genauere Prüfung vornehmen kann.

Wie oft darf man Verfahrenskostenhilfe beantragen?

Grundsätzlich kann für jedes Verfahren oder Verfahrensabschnitt eine neue Verfahrenskostenhilfe beantragt werden. Es muss aber jeweils eine neue Prüfung erfolgen.

Was ist der Unterschied zwischen Prozesskostenhilfe und Verfahrenskostenhilfe?

Im Familienrecht wird von Verfahrenskostenhilfe (VKH) gesprochen, im allgemeinen Zivilrecht dagegen von Prozesskostenhilfe (PKH). In der Anwendung unterscheiden sich beide kaum – es gelten dieselben rechtlichen Grundlagen.

0 0 votes
Article Rating
Subscribe
Notify of
guest
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments